Montag, 16. Juli 2012

Von Campern und Melkern














Wenn wir früher in den Urlaub gefahren sind wurde das Zelt verstaut, Tisch, Stühle, Gaskocher und Klamotten, die Karre voll gepackt bis unters Dach und dann Kilometer gefressen, nach Österreich, Frankreich, Spanien. Volle drei Wochen Urlaub im Süden mit Kind war nur finanzierbar durch günstige Übernachtungen, und günstiger als Camping geht einfach nicht. Die südlichste Grenze wurde bestimmt durch den Campingführer des ADAC, der letzte Zeltplatz mit mindestens vier Sternen in der Bewertung lag zweihundert Kilometer südlich von Valencia, und weniger als vier Sterne durften es nicht sein.

Denn ich bin kein Camper. Camping ist anstrengend, wie soll man sich da im Urlaub erholen. Macht man zu weit im Norden Urlaub schläft man mit prasselndem Regen auf dem Zeltdach ein, wacht jede Stunde auf und kontrolliert die Lage. Schwimmt die Luftmatratze schon, auf der wir die Klamotten gelagert haben? Laufen schon Bäche durch das Vorzelt, und wenn ja, wohin? Muss man vielleicht mitten in der Nacht zum Spaten greifen, um nicht am Morgen durch einen See waten zu müssen? Halten die zur Sicherheit noch einmal imprägnierten Nähte oder tropft es schon irgendwo? Sind die Leinen noch stramm bei dem Sturm?
Fährt man in den Süden wird man zu gottlos frühen Zeiten aus dem Schlafsack gekocht, kaum scheint die Sonne heizt sich das Zelt auf wie eine finnische Sauna. Kalte Getränke gibt es nur, wenn man sie direkt nach dem Einkauf im überteuerten Campingsupermarkt trinkt. Vorräte anlegen hat keinen Sinn, bei dreißig Grad im Schatten ist jedes Bier innerhalb einer Stunde untrinkbar.

Wenn man schon derlei Unannehmlichkeiten in Kauf nimmt, dann muss der Rest unbedingt stimmen. Saubere Toiletten, vernünftige Duschen und Meerblick. Schließlich kosten die guten Plätze auch nicht wesentlich mehr als der ganze Rest. Trotzdem hab ich Camping irgendwann aufgegeben, denn das schlechteste Bett ist immer noch besser als die tollste Luftmatratze, und ein festes Dach über dem Kopf nicht zu ersetzen. Vom Kühlschrank ganz zu schweigen. Einen Campingplatz hab ich seit bestimmt zwanzig Jahren nicht mehr betreten, und da wären wohl noch ein paar Jahre dazugekommen, wenn ich der Prinzessin nicht versprochen hätte sie im Urlaub auf Fehmarn zu besuchen.

Ausgerechnet Ostsee, und das bei einer Wettervorhersage, die nächtliche Gewitter mit Starkregen versprach, einen völlig verregneten Samstag dazu, und allenfalls den Abreisetag in halbwegs mildem Licht erscheinen ließ. Ich muss komplett wahnsinnig geworden sein, ich hab auf der Fahrt nach Fehmarn trotzdem die ganze Zeit gegrinst. Was so ein kleiner Mensch doch für eine große Wirkung haben kann.

An der Rezeption die üblichen Formalitäten und eine winzig klein gedruckte Karte des Platzes, gegen die der Stadtplan von Manhattan übersichtlich wirkt. Dadurch landete ich mit meinem St.Pauli Mobil prompt in einer Sackgasse. Enge Wege mit geparkten Autos, die allesamt durch merkwürdige Symbole und verdächtige Kennzeichen auf schwarz-weiß-blaues Gebiet hinwiesen, Satellitenschüsseln und akkurat gestutzte Hecken, hinter denen Wimpel und Fahnen in selbigen Farben wehten, und ich mittendrin. Dauercamper, eine ganz besondere Spezies, die es wohl nur in Deutschland gibt. Allenfalls den Holländern würde ich ähnliches zutrauen.  
Trotz meiner auffällig anderen Vereinsfarben schien man mein Eindringen in die St.Ellinger Idylle nicht als Provokation aufzufassen, zeigte mir sehr freundlich den Punkt auf der Karte an dem ich falsch abgebogen war, und ließ mich meiner Wege ziehen.

Campingplätze müssen inzwischen nicht nur einen gut ausgestatteten Sanitärbereich bieten, die Gäste wollen unterhalten werden. Animateure und Abendprogramm, an diesem Abend sogar Livemusik. Nicht etwa die Kapelle der Freiwilligen Feuerwehr Fehmarn, richtiger Rock'n Roll. Die Melker, eine Band die ich nicht so schnell vergessen werde. Den Tipp hat mir vor längerer Zeit schon jemand gegeben, den ich jetzt gerne fragen würde ob er mich damit verarschen wollte. Leider hab ich vergessen wer das war.

Dabei waren die nicht einmal schlecht, eine jedenfalls für dieses Umfeld geradezu perfekte Band, die für angemessene Unterhaltung, Animation, lockere Stimmung und Umsatz am Bierstand sorgte. Und gegen Johnny B.Goode und Proud Mary ist prinzipiell nichts einzuwenden, jenseits von Campingplätzen würde ich bei Titeln die Gülle auf Hülle und Fülle reimen schneller die Flucht ergreifen. Als die Prinzessin im Bett war half ein wenig die Flucht an den Bierstand.

Der dortige Umsatz an Hopfenkaltschale machte sich in der Nacht negativ bemerkbar, dass ich mir den Schlafplatz im Bus mit Junior teilen durfte war nett, erwies sich aber als nicht wesentlich bequemer als ein Zelt. Wenn man erst aus dem Schlafsack raus und in die Klamotten kommen muss, um dann rückwärts kriechend auf engstem Raum in die Schuhe zu springen, dann sollte man weniger Bier trinken. Gottlob erwies sich der angekündigte Schauer als Märchen, man kam trocken durch die Nacht. Dass man auf den penibel gepflegten Sanitären Anlagen mit deutschen Schlagern beschallt wird empfand ich hingegen als stark gewöhnungsbedürftig.
Da kleine Kinder relativ früh aufzustehen pflegen war die Nacht glücklicherweise nur kurz, mehr Schlaf hätte ich auch nicht bekommen wenn sie zwölf Stunden länger gewesen wäre. Kann man aber mal machen, solange Hoffnung auf eine Verbesserung der Lage besteht.

Davor setzt der Herrgott aber immer noch den Camperschweiß. Wieso bei der Anleitung eines Wurfzeltes der Aufbau in großen Bildern erläutert wird, der komplizierte Abbau desselben aber in kryptografischen Piktogrammen, weiß wohl nur der chinesische Hersteller. Vermutlich soll man die stehen lassen.
Eine sehr sympathische Eigenart von Campern wiederum kam uns dann zugute, als der alte Diesel nicht ansprang und auch ein Überbrückungskabel nicht helfen wollte. Wenn Hilfe nötig ist steht auf Campingplätzen niemand blöde rum und glotzt, man hat binnen weniger Minuten einen Haufen Leute die mit anpacken, und wenn auch das nicht hilft kommt der Platzwart mit dem Trecker. Endlich mal was los hier.

Dadurch verschob sich das Frühstück fünfzig Kilometer weiter auf den Platz eines guten Freundes, der sich gerade für ein Leben als Dauercamper entschlossen hat. Das dort stattfindende Kinderfest sollte zwar im Regen versinken, aber dafür lockten nette Menschen, angenehmere Schlafgelegenheiten und eine bessere Versorgung mit lebenswichtigen Elixieren.

Und so kann Camping tatsächlich Spaß machen. Wenn der Wetterbericht sich irrt, die Lütten den ganzen lieben Tag ihren Spaß haben und man die kühlen Abende in einem geheizten Vorzelt mit kalten Getränken und heiteren Gesprächen verbringen kann. Wenn man für einen Kaffee nur auf den Knopf drücken muss, den Exilwestfalen bei Looping Louie fertig machen kann und die Nacht auf einer richtigen Matratze verbringt, dann kann ich mir für einen ganz kleinen Augenblick auch vorstellen...

Aber nur für einen kurzen Augenblick, Gartenarbeit ist nicht so mein Ding.

Ganz mein Ding: Patti Smith - Trampin' - Live Aux Vieilles Charrues 2004 mit einem Dank an Herrn Ärmel für den Tipp.
  












7 Kommentare:

  1. Klasse beschrieben, ich war quasi dabei und habe teilweise tüchtig mitgelitten (Kindheit und Jugend verbrachte ich bei den Pfadfindern). Campingplätze und Schrebergärten sind nix für mich - bei meiner notorischen Abneigung vor rotbezipfelmützten Gartenzwergen und akkurat verlegten Zeltleinen und niedrig unsichtbaren Revierzäunen. Da hilft auch keine hohe Dosierung an entsprechenden Kaltgetränken.
    Melker? Solche merkwürdigen Bands erfreuen sich auch im hessischen seit einiger Zeit an Beliebtheit in bestimmten Kreisen---

    Der musikalische Tipp? - da nich für ;-)

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    1. Dass ich mich auf dem zweiten Platz viel wohler fühlte lag nicht nur an den Kaltgetränken, der besticht eher durch ein ungeordnetes Chaos und viel bunte wild wuchernde Gewächse. Ohne Gartenzwerge, aber immerhin mit einer Urmelfamilie im Kräutergarten.

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  2. Achja... auch von mir einen herzlichen Dank an den Herrn Ärmel für den musikalischen Tipp. ;-)
    Letzte Nacht komplett gehört. Sehr feine Scheibe !

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  3. Hihi, wunderbar beschrieben. Ich war auch mit, musste bei beschriebenen Leiden aber breitmäulig grinsen.
    Weil ich zelte ja ziemlich oft. So auf Inseln oder im Gebirg. Zum Glück sind das dann meistens Zeltplätze, wo es keine Dauercamper gibt. Die trifft man nur versehentlich, wenn man durch Deutschland paddelt oder radelt. Hier im Osten hatte ich dabei immer das Glück, auf Anlagen zu kommen, wo die Besitzer/Verwalter oder was so weise waren, Dauercamper und verdreckte minimalistisch ausgestattete Durchreisenden platztechnisch voneinander zu trennen.
    Trotzdem landete ich, nicht nur in Deutschland, sondern z.B. auch bei Zürich, zwei drei Mal unter Dauercampern. Da war ich aber mit dem Auto unterwegs. Und hatte immer das Gefühl, in einer Reihenhaussiedlung zu zelten.
    Trotzdem, für diesen Urlaub versuche ich, feste Quartiere zu organisieren. Was eine Herausforderung ist.Da wo ich hin will.

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    1. Die Trennung von Dauercampern und fahrendem Volk wird hier oben auch sehr konsequent verfolgt. Und jeder Eindringling in den Reihenhaussiedlungen argwöhnisch beäugt, ganz besonders die Minimalisten mit ihren kleinen Zelten. Vielleicht sollte man einen Gartenzwerg davor hinstellen.

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  4. ich stelle mir gerade vor wie du mitten in der nacht im schlafsack fluchend über den campingplatz hüpfst *g*
    ein wohnmobil ohne klo taugt halt nix.

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    1. Die Dinger nennt man Reisemobile. Reisen ist damit auch wesentlich einfacher als darin wohnen.

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