Sonntag, 12. Februar 2012

Konfetti Deluxe














Vorspiel
Den erwarteten Temperaturen trotze ich mit einem T-Shirt unter dem Kapu und einem paar Norwegersocken aus Bochum. Zwei Tore müssen reichen, mehr bekomme ich eh nicht in die Stiefel. Außerdem hab ich schon wesentlich kältere Spiele erlebt, man muss ja noch Reserven in der Hinterhand haben. Vorm Bierstand an der Gegengerade, wie fast erwartet, kein Mensch zu sehen, die Herrschaften kommen bei Minusgraden gerne sehr pünktlich. Ich lass mir einen Glühwein zapfen und stelle fest, das Zeug schmeckt schrecklich, aber wärmt halbwegs. Da lässt sich der erste kurz blicken, ist aber auf der Suche nach dem Rest schnell wieder verschwunden. Ich hol mir noch einen Glühwein und notiere innerlich, bei Minusgraden ebenfalls nur noch pünktlich zu erscheinen, alleine frieren nervt.
Der Glühwein ist grad leer, da läuft mir der Don über den Weg, der endlich mal wieder zwei Heimspiele hintereinander besuchen darf, aber keine Zeit mehr für nen Klönschnack. Dabei hätte mich interessiert ob es an der Kartenproblematik oder an der Gattin liegt, mit den seltenen Millerntorbesuchen. Die Schlangen vorm Eingang sind abenteuerlich. Von einem Sicherheitsspiel hab ich nichts gehört, es stellt sich dann heraus, der zuständige Ordner ist Preisträger in Zeitlupenkontrolle. Als er endlich bei meinen Beinen ankommt bin ich schon sanft entschlummert. Die Glocken der Hölle wecken mich wieder, jetzt aber zackig zum Platz, mit Glühwein bin ich eh fertig für heute.
Schnell ein paar Bilder knipsen fürs Blog, ich brauch freie Hände. Aufwärmen durch rhythmisches Klatschen und Sportzigarette entzünden. Kaum hab ich die Ixus in die Hosentasche gleiten lassen schmeißt der Süden mit Konfetti, aber sowas von. War das Alufolie? Ich zerr die Knipse wieder raus und bekomme noch die Restausläufer mit, das hätte ich filmen sollen, wenn das Ding schon keine vernünftigen Fotos macht, aber egal. Endlich wieder Konfetti Deluxe, endlich wieder Fußball.

Spiel (1)
Oha, die Jungs wollen es wissen. Wiedergutmachung für Aachen? Jedenfalls wollen sie, das merkt man, da wird direkt mal bissig nachgesetzt wenn der Ball verloren geht. Nur etwas glücklos in der Offensive, die letzte Konsequenz fehlt. Ebbers fehlt. Was auf das Bochumer Tor kommt ist zu harmlos, die stehen zudem sehr kompakt, aber so wie das aussieht wird die Mauer schon irgendwann fallen, da bin ich ganz zuversichtlich. Chancen gab es einige, muss man nur besser nutzen.
 Deswegen ist das 0:1 auch ein ziemlicher Schock. Bochum kommt das erste mal über die Mittellinie und aus dem Nichts fällt das Tor. Azaouagh marschiert einfach mal quer vorm Strafraum rum und zieht aus der Drehung ab, drin ist das Ding. Ich bin nicht sicher ob Bene den hätte halten können, aber fortan wird Spott und Unmut lauter geäußert, bei harmlosen Rückgaben gerne mal "Vorsicht" gebrüllt.
Das halte ich für übertrieben und beschwere mich, man möchte doch bitte der eigenen Nummer 1 ein wenig mehr Vertrauen entgegen bringen. Mich hat der auch schon oft geschockt mit seinen Aktionen, aber das ist länger her, man soll nicht so nachtragend sein.
Während der kurzen Diskussion mit meinen kritischen Nachbarn zeigt Bene gleich dreimal hintereinander, dass er den Strafraum beherrscht durch den Strafraum irren kann wie kein anderer. Mir gehen sehr schnell die Argumente aus, was meine ansonsten sehr nette Sitznachbarin süffisant anmerkt. Muss ich zugeben, wenngleich eine etwas schwungvollere Offensive uns in dieser Phase helfen würde. Die folgt sogleich, nachdem der erste Versuch scheitert gibts Ecke und dann steht da Sebastian Schachteeeeeeeeen, der die Pille einschädelt. Woohoo, das wurde Zeit. Super, ich freu mich, den mag ich schon seit dem Auftaktspiel in Lübeck. Meine Nachbarin auch, und schon haben wir was Gemeinsames.
Gemeinsam schlagen wir die Hände vor den Kopf, als Saglik kurz darauf auf der Linie rettet, weil Bene wieder nicht im Bilde ist. Mehr Offensive Jungs, hier hilft nur mehr Offensive. Am besten den Gegner nicht in die Nähe des 16ers kommen lassen, der beste Bene ist ein beschäftigungsloser Bene.

Halbzeit
Glühwein mag ich mir nicht mehr antun, meine Stimme fordert ein Astra ein. Danach schnell noch auf ein kurzes Gespräch in Block2 und dann wirds auf einmal emotional. Ralle Gunesch, der jetzt leider für Ingolstadt spielt, wird verabschiedet und bekommt sein wohlverdientes You'll never walk alone, auch aus meiner Kehle mit vollstem Herzen. Danke für alles, viel Glück bei Audi. Bei der Zeremonie abwesend ist allein der Großteil der Haupttribüne, die essen noch Schnittchen. Ich überlege kurz ob ich meinen Sitzplatz aufgebe und mich unter die Steher mische, da oben unterm Dach muss ich zu oft alleine supporten, aber unten ist es brechend voll wie immer und ich gehe auf meinen Platz zurück.
Wenn man zu häufig Sitzplätze bekommt verweichlicht man, glaube ich. Könnte aber möglich sein, dass man für ein Spiel demnächst ausschließlich Sitzplätze bekommt, weil die Presse schon ähnliches voraus ahnt, als Strafe für den bösen Kassenrollenwerfer. Ich will nur hoffen, dass diese selten dämliche Idee nicht wirklich aus Frankfurt kommt, sicher bin ich bei dem Verein dort allerdings nicht. Die Tapete in der Süd ist vielleicht etwas voreilig, berechtigt ist sie auf jeden Fall.  

Spiel (2)
Es geht weiter, es wird weiter gekämpft, und es gibt wieder Konfetti. Dieses mal natürliches, klein, weiß und kalt, es fängt an zu schneien. Das Spiel wärmt, zu wenig Einsatz kann man den Boys in Brown heute nicht vorwerfen, so schaffen sie es zwar die meiste Zeit, den Ball von unserer Gefahrenzone fernzuhalten, nur ins Bochumer Gehäuse will er auch nicht. Naki ist inzwischen für den etwas glücklosen Saglik gekommen, der uns aber immerhin vor einem weiteren Rückstand in der ersten Hälfte bewahrt hat. Das Spiel müssen wir einfach gewinnen, das muss belohnt werden. Der Meinung sind auch meine Nachbarn, die langsam etwas weniger schüchtern agieren. Bartels zielt vorbei, Torre schafft es irgendwann einen aussichtsreichen Ball über die Bochumer Latte zu lenken, irgendwann muss doch mal was Zählbares dabei rumkommen, verdammte Hacke.
Das kommt dann in Gestalt einer Ampelkarte für Paul Freier, als er Funk ganz unsensibel von den Beinen holt. Meine Nachbarin bemerkt noch kurz, dass wir gegen 10 Spieler eigentlich immer schlechter spielen, ich tröste sie mit einem möglichen genialen Moment von Florian Bruns, der inzwischen ins Spiel gekommen ist.
Den genialen Moment erwischt aber wieder Sebastian Schachten, der Mann entpuppt sich als klassischer Strafraumstürmer, ist gedanklich und körperlich nach einem Freistoß schneller als der versammelte Rest im Bochumer Strafraum, 2:1, woohoo.
Danach gibts noch Möglichkeiten, aber reicht doch, drei Punkte und ein durchaus unterhaltsames Spiel, ich bin vom Abpfiff ebenso überrascht wie meine Nachbarin. Das wars schon? Neunzig Minuten vorbei? Ich hätt noch zehn Minuten vertragen können. Hätte ich zwei Paar Bochumer Socken angezogen, dann wären auch noch zwei Tore gefallen, Chancen genug waren da.

Nachspiel
Grundsätzlich bleib ich im Stadion, solange die Mannschaft auf dem Platz ist. Sieht die Haupttribüne anders, okay, aber die Sitzplätze auf der Gegengerade leeren sich inzwischen ebenso schnell. Sitzplätze verweichlichen wahrscheinlich, so kalt ist es jetzt nicht find ich. Die Mannschaft ist auf dem Weg zur Kabine, da geht Carlos noch einmal in Richtung Gegengerade und zeigt, dass er sein letztes Hemd gibt für die Fans. Ich hab mal gehört, das wird den Jungs vom Lohn abgezogen. Ich hab aber auch die Karre von Deniz Naki vorm Stadion gesehen, ich glaub auch die Profis beim FC St.Pauli können sich das inzwischen mal leisten, mit dem letzten Hemd.
Bevor ich den Bierstand erreiche werde ich zur Seite gezerrt, die Tresenkurve hat noch ein Bier für mich übrig, einer aus der Runde ist dafür zu spät. "Scheiß Spiel, aber drei Punkte" höre ich. Hab ich ein anderes Spiel gesehen? Oder wodurch sind die so verwöhnt? Der Vermisste erscheint dann doch noch und bekommt den Rest meines Astras, während mir das aktuelle Machwerk der Tresenkurve in Form von drei Aufklebern überreicht wird, die ich hier leider nicht abbilden kann, weil sie derbe rassistisch, ähm, also zumindest latent rassistisch, auf jeden Fall aber politisch vollkommen unkorrekt sind. Vollkommen unkorrekt.
Trotzdem hab ich mich einige Minuten lang nicht einkriegen können, lange nicht so gelacht. Wenn ich mal Mladen Petrics Auto sehe kleb ich ihm einen an den Rückspiegel.

Und jetzt widme ich mich weiter dem netten Päckchen, das meine Nachbarin unverhofft für mich angenommen hat. Kettcar - Zwischen den Runden.

Nachtrag: Die sensationelle Konfettichoreo der Süd hat natürlich jemand auf Video festgehalten, und wie erhofft gibt es mehr Konfetti auf  KleinerTods FC St.Pauli Blog.











5 Kommentare:

  1. Uiuiui, das Konfettichoreo ist wirklich sensationell

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  2. Klasse Video... zugegeben, das hatten sie in den Theatern der Antike (wegen fehlenden Papiers) nicht ;-)) Obwohl: Fussballstadien werden ja (in Deutschland) schon wieder als Arena bezeichnet...

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  3. Ich hätte gerne einen der politisch unkorrekten Aufkleber :D. Wo kann man die bestellen?

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  4. Inch, in Natura sah es noch viel sensationeller aus, leider gab es bisher keine sensationellen Fotos davon, hat wohl nicht nur mich überrascht.

    Herr Ärmel, in der Antike hätte man dafür vielleicht mit Steintafelscherben werfen können, obwohl... Papyruskonfetti sollte möglich gewesen sein :D

    Holzi, diese Aufkleber erfordern einen verantwortungsvollen Umgang :p

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  5. Schicke Fotos, das letzte mit dem Auto versteh ich aber nicht ganz ;) Leider geben Fotos ja immer nur einen Teil der Atmosphäre wieder. Ich musst auch mal wieder ins Stadion, war schon ewig nicht mehr. Die Fotos bilden ja einen kleinen Anreiz. Lieben Gruß otto

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