Sonntag, 19. Januar 2014

Auch tote Revolutionäre können Leben retten















Eigentlich soll der Sonntag ja der Erholung dienen, aber die Kinder wollen heute aufs Eis. Wie bei Patchworkfamilien üblich bedarf das einer logistischen Leistung, der man am besten entgeht indem Opa einfach früh aufsteht und ins Auto steigt. Die Prinzessin muss bei einer Freundin abgeholt werden, irgendwo in Barmbek. Danach dann zurück um Junior einzusacken und dann wieder in die andere Richtung, zum Dammtorbahnhof, da kommt der Rest an. Das erscheint mir auf den ersten Blick als völlig blödsinnig, aber da ich ein gewisses Verständnis für Langschläfer und Gemütlichfrühstücker habe sag ich nix dazu, ich bin ja eigentlich selber einer.

Wenn es schon mal nicht regnet kann man auch früh aufstehen, die Chance auf Eislaufaction mit der Kurzen lasse ich mir natürlich nicht entgehen. Durch geschickte Fahrweise und Parkplatzsuche (am Dammtor!) ergattere ich mir eine halbe Stunde Zeit für das Frühstück, leider überlassen wir die Wahl des "Restaurants" der Prinzessin. Da kleine Kinder auf überflüssiges Plastikspielzeug stehen fällt die Wahl natürlich auf McDoof, wenigstens gibt es zur Zeit den 1955er, den kann man essen.

Draußen ist es schweinekalt und die Gören wollen zu Fuß zur Eisbahn laufen. Meine Kamera ist im Kofferraum, ich muss in die andere Richtung, außerdem ist das am anderen Ende der Wallanlagen, mir zu weit für zu Fuß. Bei solchen Entfernungen sollte man die Rückwege einrechnen, ganz besonders mit kurzen Beinen, also setze ich mich in die Karre und finde, einen guten Kilometer weiter, wieder eine Parkmöglichkeit.

So clever das für später erscheinen mag, so blöde ist das jetzt. Ich stehe eine halbe Stunde alleine an der Eisbahn und friere mir den Hintern ab. Eine weitere halbe Stunde dauert es bis alle auf dem Eis sind. Alle außer mir natürlich, denn der Wahnsinn hat Grenzen. Die fünf Euro Eintritt spare ich mir ebenfalls, denn von draußen kann man wesentlich besser fotografieren, drinnen ist es brechend voll.

Wenn man das findet, was man fotografieren will. Trotz auffälliger Mütze ist nichts zu entdecken, weil die Prinzessin lieber am anderen Ende der Eisfläche den Erwachsenen beim Curling zusieht. Das ermöglicht mir von der anderen Seite der Wurfzone eine ganze Serie schöner Portraitaufnahmen, bis sie mich bemerkt und die Session mit den üblichen Faxen beendet. Danach darf ich mein Glück endlich mit Actionfotos versuchen. Nachdem sie feststellt dass die restliche Familie ohnehin nicht hinterher kommt, weil sie die Allerschnellsteimkreisfahrerin ist, kann ich sogar die ersten zaghaften Pirouettenversuche festhalten, die allerdings durch die viel zu große Mütze ein wenig gehandikapt werden.

Das alles wärmt mir zwar ungemein das Herz, aber das ist inzwischen nur noch ein kleines Häufchen Restwärme, der Rest fühlt sich an wie Eiszapfen. Falsche Jackenwahl, schon wieder. Wie lange kann so etwas Spaß machen?  Anfangs schien die Kurze nicht sonderlich motiviert, aber je länger das dauert desto fideler wird sie und die Lichtverhältnisse sind nicht mehr geeignet für kurze Belichtungszeiten.

Drinnen gibt es warme Getränke, ich entschließe mich, mit dem Kassierer zu verhandeln. "Ich kann und will nicht auf Schlittschuhen laufen, aber ich hab jetzt drei Stunden meine Enkeltochter fotografiert und wenn ich nicht gleich einen Glühwein kriege gibt es mindestens einen Toten hier." Das macht Eindruck, ich darf passieren ohne den Obolus zu entrichten. Noch 30 Minuten bis zum Heißgetränk, wenn ich Länge der Schlange und Geschwindigkeit des Abbaus richtig einschätze. Es gibt zwei Schlangen, eine an der Kasse für Crêpes, eine an der Kasse für alles andere. "Alles andere" sind Marsbountysnickersgefüllte Regale, Brat- und Currywürste, Donuts, Muffins, Torten, Kuchen, Pommes, Schnitzel und sämtliche Heiß- und Kaltgetränke. An beiden Kassen jeweils eine junge Dame beschäftigt, deren Aufgabengebiet klar umrissen ist. Es scheint völlig unmöglich zu sein, an der Crêpekasse ein Heißgetränk zu ordern, die Schilder sind unmissverständlich.

Nach 15 Minuten bin ich nahe genug, um die Kreideschrift auf den Tafeln entziffern zu können. An die zehn Kaffeesorten bis zum Latte Caramello, alkoholische Heißgetränke von Grog über Glühwein mit oder ohne Schuss bis hin zum...ermordeten afrikanischen Unabhängigkeitskämpfers Patrice Lumumba. Der Gedanke an heißen Kakao mit Rum lässt mich die letzte Viertelstunde überstehen, auch wenn mir bei diesem Namen wieder die Schokoladenschaumgebäckdiskussion einfällt. Schmeckt aber einfach lecker. Und kann Leben retten.

Wärmt auch: Morphine - Cure For Pain

10 Kommentare:

  1. BeebleBlox
    Köpfe kann man gar nicht genug haben
    vor 2 Tagen
    (Blogger spinnt mal wieder rum)


    Was man nicht alles für die Kleinen so macht, ich finde es aber happig dort 5€ Eintritt zu kassieren und zusätzlich Geld mit wahrscheinlich völlig überteuerten Getränken zu machen. Ich hoffe der Tag hat sich wenigstens für die Prinzessin gelohnt...

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    1. Der Lumumba war lecker. Keine Ahnung mehr was der gekostet hat, aber wenn man für jedes neue Getränk eine halbe Stunde anstehen muss hält sich die Geldausgabe in Grenzen. Der Tag hat sich auch für mich gelohnt ;)

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  2. ich bin grad ungeheuer beeindruckt das der torwächter dich reingelassen hat. das es sowas heute noch gibt...

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  3. für die kleine gibst du auch das letzte hemd bzw. die letzte mütze her. oder gefiel dir das grün nachher doch nicht? *grins*

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    1. Ich hatte mir in weiser Voraussicht am Vortag noch eine schwarze geholt und glücklicherweise beide mit, weil sie mir in letzter Zeit gerne die Kopfbedeckung raubt.

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  4. Das Foto ist klasse! Ich hätte da noch ganz bescheiden 1 Vorschlag in quadratisch fürn bisschen beschneiden, also das Foddo nicht die Prinzessin versteht sich... *g*

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    1. Ja, ist wahrscheinlich besser. Leider erkenne ich den fehlenden Beschnitt immer nur bei anderen, selten bei meinen eigenen Fotos. Und im Blog bin ich einfach die Einheitsgröße gewohnt.

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  5. Die viel zu große Mütze der Prinzessin harmoniert aber ganz wunderbar mit der Hose des/der anderen Eisläufers/in :D Und da ich grad im Wintermützenhäkelmodus bin, überlege ich, ob unserer Prinzessin nicht auch so ein schönes Grün stehen würde.

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    1. Wenn auch noch genug weiße Wolle für den passenden Schriftzug dabei ist, warum nicht? *g*
      Der neuste Schrei ist schwarz mit lila Totenkopf, leider ist mir die Verkaufsversion zu eng und ich war noch nie im Wintermützenhäkelmodus. Mir ist es bis heute ein Rätsel wie man mit zwei Nadeln und einem Faden so etwas zusammendengeln kann.

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