Freitag, 21. Dezember 2012

Welcome to the Pleasuredome
















An meine Geburt kann ich mich selbstverständlich nicht erinnern, aber von diesem Zeitpunkt an versuchte ich standhaft Krankenhausaufenthalten oder gar Operationen aus dem Weg zu gehen. Recht erfolgreich eigentlich, sieht man mal von der Herzkasperei vor zwei Jahren ab. Naja, da waren die zwei Wochen Dorfkrankenhaus mit gebrochenem Sprunggelenk damals, als das Baugerüst meines Schwagers unter uns zusammenbrach, aber das war mehr betreutes Wohnen im besten Alter. Früher musste man noch um Entlassung betteln oder Fluchtversuche unternehmen, heute wird man oft schon nach zwei Tagen rausgeschmissen, Gesundheit ist teuer geworden.
Nur vor Operationen konnte ich mich über die Jahre erfolgreich drücken. Mit dem Messer in meinem betäubten Körper herumschnibbeln? Niemals! Jedenfalls bis vor ein paar Tagen, denn wenn Schmerzen nicht mehr zu ertragen sind fällt auch die letzte Bastion der Verweigerung und man begibt sich irgendwann freiwillig unters Skalpell. Der nächste freie OP-Termin wäre am 7. Januar, völlig illusorisch, bis dahin halte ich das niemals aus. "Dann müssen sie sich halt in der Notaufnahme melden." sagt die Dame am Telefon. Hektisch die Klamotten gepackt und ab in die Klinik. Hier der (nicht repräsentative) Bericht aus einem Hamburger Krankenhaus:

Notaufnahme
Hab ich unverschämtes Glück, oder sind die hier alle so? Gleich zwei Ärzte kümmern sich um mich, der behandelnde Chirurg, ein Strahlemann vor dem Herrn, erklärt freundlich und geduldig jedes Detail. Was er wo wegschneidet und warum, und dass danach langsam alles sehr viel besser werden wird. Seine Kollegin ist die wahrscheinlich schönste rothaarige Chirurgin der Republik, Herr L. bräuchte bei der sicher keine Narkose, die Frau allein ist umwerfend genug und nimmt mir die letzten Zweifel und Ängste. Ja, ich hab Schiss, ich war schließlich noch nie auf dem Tisch. Dauert auch noch ein wenig, so zwischen dreißig Minuten und drei Stunden etwa, bis dahin gibt es ein Bett und ein schickes Exhibitionistennachthemd, vorne Blümchen, hinten offen. Kurz darauf noch ein informelles Gespräch mit dem Narkosearzt, ich kann mir die Art der Betäubung aussuchen und entscheide mich für die volle Dröhnung. Live dabei muss nicht sein, trotz der rothaarigen Chirurgin. 

Narkose/OP
Zum OP-Saal geht es über einen Tresen, alles vollautomatisch, der Tresen bewegt sich und ich falle sanft ins Operationsbettchen. Von der verabreichten Beruhigungspille merke ich nichts, hoffentlich ist das Narkosemittel besser. Ich versuche mir ein paar Details einzuprägen, flachse ein wenig mit den beiden Damen in den grünen Klamotten und das nächste was ich höre ist "Da sind sie ja wieder. Alles überstanden." DAS nenn ich mal einen Filmriss. Völlig geblitzdingst, mir fehlt eine ganze Stunde. Jetzt muss nur noch jemand die Langzeitnarkose erfinden, zwei Wochen durchschlafen und fit wieder entlassen werden, das wärs doch.

Station
Zweibettzimmer mit WC und Dusche, vor 25 Jahren noch Luxus für Privatpatienten, heute scheinbar Standard. Ich vermisse die fünf Zimmergenossen aus der Sprunggelenkzeit, das war ein derbe lustiger Haufen damals. Mein Bettnachbar ist eher der schweigsame Typ, nur in der Nacht deutlich wahrnehmbar. Gott sei Dank bringt ihm seine Frau am nächsten Tag ein Anti-Schnarch-Set für die geräuschlose Kopfhaltung. Sachen gibt's...
Tagsüber sorgen die ins Zimmer gelieferte Zeitung oder der Flachbildschirm an der Stirnwand für Abwechslung. Mir reicht das gedruckte Wort, mein Zimmergenosse hingegen liebt Zoosendungen. Alle Zoosendungen. Wie viele gibt es davon eigentlich? Glücklicherweise lässt er sich später zum DFB Pokal überreden, am Abend gibt es wohl keine Übertragung aus dem Tierpark.

Personal
Ärzte sieht man nur vor der Operation etwas länger, die tägliche Visite dauert hingegen nur eine knappe Minute und endet mit den Worten "das sieht doch schon sehr gut aus". Es ist dafür völlig unerheblich, ob der Arzt die Operation selber durchgeführt hat und ob es sich auch schon gut anfühlt.
Krankenschwestern sieht man dreimal täglich, wenn sie die Medikamente verteilen. "Naschies" nennt sie mein Zimmergenosse und ich weiß nicht genau ob er wirklich die Medikamente damit meint. Krankenschwestern sind grundsätzlich hübsch, sexy, perfekt gestylt und zwischen 18 und maximal 25 Jahre alt. Ältere Schwestern sind inzwischen entweder Arztfrauen oder landen auf der Geriatrie.
Das Serviceteam kommt ebenfalls dreimal täglich und verteilt die Nahrung. Als Nahrungsverteiler werden hauptsächlich Migranten eingesetzt, wahrscheinlich damit man sie schlechter bezahlen kann. Müsste man sie anständig bezahlen würde die Qualität des Essens darunter leiden, was vollkommen unmöglich ist.

Verpflegung
"Knackfrische Backwaren" und "hohe Standards bei der Verpflegung" verspricht der Beipackzettel. Das Frühstücksbrötchen ist durchaus in Ordnung, und Brot soll ja ohnehin nicht so gesund sein wenn es frisch ist. Es gibt aber sicher bessere Möglichkeiten ein Gulasch herzustellen, als das Schwein mit der Handgranate zu sprengen. Ob Schupfnudeln mit Wirsingkohl und Röstzwiebeln besonders förderlich ist bei Darmerkrankungen? Man müsste einen Arzt fragen können. Immerhin gibt es ein wenig Abwechslung bei den Desserts, nach drei Tagen Kirschjoghurt kommt die Ananasvariante auf den Tisch. Meinem Nachbarn wäre die Sorte wohl egal, der bekommt jeden Morgen erneut einen von der Verpflegungsfachkraft angeboten, darf aber leider nur Tee und Brühe.   

Fazit
Operationen sind gar nicht so schlimm wie man immer denkt, die Begleitumstände sind nur etwas lästig. Krankenhausaufenthalte sind anstrengend, selbst wenn man den ganzen Tag nur im Bett liegt. Dafür hat man den unbestreitbaren Vorteil, von Schmerzen weitestgehend befreit zu werden. Man wird den ganzen Tag unter Drogen gesetzt und wenn die nicht mehr ausreichen gibt es andere, irgendwas geht immer. "Welcome to the Pleasuredome" pflegte mein Zimmergenosse zu sagen, der darin deutlich mehr Erfahrung besaß. Auf weitergehende Erlebnisse in dieser Richtung würde ich trotzdem gerne verzichten, die nächsten Wochen der Heimtherapie werden anstrengend genug, denn mein Drogenarsenal zur Schmerzeindämmung ist überschaubar.
So kann ich nur auf die Worte des Chirurgen vertrauen und hoffen, dass das Licht am Ende des Tunnels schnell heller wird. Von der dunklen Seite hab ich nämlich die Schnauze inzwischen gestrichen voll.

14 Kommentare:

  1. Na, das hört sich ja mal ganz gut an.
    Welcome back ! :-)
    Mal sehen, was ich so alles zur Schmerzlinderung beitragen kann, die nächsten Tage. *g*

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  2. *schmunzel*
    das ließt sich doch soweit gut :)

    Dann wünsche ich Dir schnellstes Zusammenwachsen und sich im erträglichen Rahmen bewegende Nebenwirkungen. Lass Dich die Tage mal richtig vom Paaenheimer verwöhnen.

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    1. Ich harre der Dinge die da kommen mit bangem Herzen..

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  3. *gg* ob der pappenheimer so viel zur genesung beitragen kann.....wir werden sehen.
    gaaaaaaaaaaaanz liebe grüsse vom ende der welt, wir drücken feste die daumen das du bald wieder fit bist und alles gut abheilt und überhaupt alles wieder gut wird.
    beijinhos e abracos

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    1. Obrigadu :D
      Bei der Genesungshilfe bin ich mir ebenfalls nicht sicher ob die hilft, aber trotzdem freu ich mich.

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  4. Ich hatte deine Posts diese Woche vermisst - das durch eine Handgranate gesprengte Schwein hat aber wieder alles gut gemacht.
    Apropos - ich wünsche dir eine schnelle und vor allem gute Besserung!
    btw: Ist der Pappenheimer denn neuerdings ins Krankenpflegemetier gewechselt? So richtig mit weissem Häubchen und Kittelchen? Vielleicht kriegt er ja noch ne schöne Langhaar-Rothaarperücke zu Weihnachten *ggg*

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    1. Für mich muss er die nicht tragen, da kenn ich andere. Hülfe aber nix bei seiner Statur.
      Danke für die guten Wünsche.

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  5. Hey mein Dickerchen *g*, schön das es Dir bei uns gefallen hat. Leider war mein Dienstplan auf eine persönlichere Betreuung nicht vorbereitet. Ich wünsch Dir eine schnelle Genesung, wir sehen uns spätestens zur Rückrunde in alter frische hoffentlich ;)
    Immer dran denken: you'll never walk alone!

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    1. Ähem.
      Wir sind halt die seltsamen Typen, die sich im Stadion über Fußball unterhalten und nicht über Job, Kindergarten oder andere Freizeitaktivitäten. War ne angenehme Überraschung ;).

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  6. Willkommen zurück! Hab Dich schon vermisst! :-)
    Wünsch Dir gute Besserung!

    Gruß Hawk

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  7. Aua ! Dann mal beste Genesung und immer weichen Stuhl *ggg*
    Ich wünsche so etwas nicht meinem ärgsten Feind, zumal es etwas Entwürdigendes hat: ein Steckschuss in der Schulter oder ein abgerissener Arm, da kann ein Mann an die Bar schlürfen, einen Doppelten nehmen und murmeln: ist ja nur eine Fleischwunde !
    Hast mein volles Mitgegühl, komm schnell auf die Beine, dann schaffen wir im Januar einen Termin im Sitzen ;-)

    Gruß, Oldive

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    1. Ich bin halt ein Weichei, wär ich öfter auf dem Kiez als nur zu Heimspielen hätte ich mit einem Steckschuss vielleicht schon prahlen können, man wird eben alt :D
      Freut mich übrigens ganz besonders wenn alte und lang vermisste Freunde sich hier einfinden, ich geb mir auch alle Mühe im Januar wieder fit zu sein. Dat mutt.

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