Montag, 14. März 2016

Dreißig Torten für ein Hallelujah
















An einem Sonntag um acht Uhr aufstehen müssen kann eigentlich nur drei Gründe haben. Entweder der Urlaubsflieger geht wirklich verdammt früh in diesem Jahr, die DFL hat sich für die zweite Bundesliga noch dämlichere Anstoßzeiten ausgedacht, oder man muss sich eine Predigt anhören. In der Kirche zählt Sonntagsarbeit nicht, auch wenn der Herr selber geruht hat am siebten Tage.

Seit weit mehr als dreißig Jahren betrete ich Kirchen höchstens noch um sie zu fotografieren, aber garantiert nicht, wenn dort irgendwelche Veranstaltungen mit Psalmen stattfinden. Bei Predigten neige ich dazu, sehr häufig mit dem Kopf zu schütteln - oder gleich einzuschlafen, was heute durchaus im Bereich des Möglichen liegt, nach gefühlten zweieinhalb Stunden Nachtruhe.

Trotzdem muss ich da hin, denn der Stöpsel wird heute nass gemacht und seine große Schwester hat beschlossen, sich bei der Gelegenheit auch gleich mal taufen zu lassen, schaden kanns ja nix. Und ich bin der einzige zugelassene Fotograf, weil der Pfarrer die Atmosphäre von Pressekonferenzen vermeiden möchte. Ich darf mich im vorderen Bereich aufhalten und sogar blitzen, wenn auch möglichst nicht so viel. Außerdem sollte ich es möglichst unterlassen für besondere Perspektiven auf den Altar zu klettern, oder mich während der Zeremonie unter das Taufbecken zu legen. Das mit dem Taufbecken könnten wir zur Not später noch machen, falls ich da Wert drauf lege. Der Mann scheint schon einiges erlebt zu haben. Auf die Idee mit dem Taufbecken wäre ich jedenfalls von alleine nicht gekommen, aber da ich eh so schlecht wieder hochkomme war das ohnehin keine Option.

Wie ich befürchtet hatte ist das hier keine Sonderveranstaltung bei der man nach einer halben Stunde wieder gehen kann, man muss vorher den Ritualen eines vollständigen Sonntagsgottesdienstes beiwohnen. Mit Predigten, Bibellesungen, Orgelklängen und Fangesängen, das volle Programm. Besonders rührend finde ich die Ansprachen an die liebe Gemeinde, die (zieht man unsere knapp 40 Mann starke Taufgästeschar ab) vielleicht gerade 10 bis 15 Mitglieder deutlich älteren Semesters zählt. Also ungefähr so viel Zuhörer wie ein mittelprächtiges Amateurinternetradio, für einen Fulltimejob muss das ganz schön frustrierend sein auf Dauer. Eine gute Stimme hat er aber, findet Muddern. "Der kann richtig toll singen" flüstert sie mir zu, "der könnte glatt zu Dieter Bohlen gehen."

Zur Taufe verliest die Prinzessin dann selber noch einen Text, von dem ich leider nicht viel verstehe, weil das Mikrofon trotz Zuhilfenahme eines Stuhles immer noch etwas zu hoch hängt. Macht aber nix, weil ich zwischen der Fotografiererei genug damit beschäftigt bin nicht vor Stolz zu platzen. Wer mich in dem Alter gefragt hätte, ob ich 60 Leuten in der Kirche etwas vorlesen möchte, hätte wohl nur meine Hacken gesehen.

Eine halbe Stunde später ist die Veranstaltung vorbei, als Belohnung winkt das bislang ausgefallene Frühstück in Form eines anscheinend geplanten Tortenwettessens (Apfelschorlenwetttrinken wäre auch noch drin), bei dem ich abermals platzen könnte, doch leider verhagelt mir schon das zweite Stück den Tortenfutterwettbewerb. Banane geht gar nicht.

Was aber immer geht, ist Kinder beim Auspacken der Geschenke zu fotografieren, da werden die Augen manchmal so groß wie in japanischen Comics. Es lohnt sich offensichtlich, mit der Taufe ein paar Jahre zu warten, die Kleinen kriegen halt immer nur kleine Klamotten.


Taufbier: Crew Republic Foundation 11, German Pale, 5.6%
Taufmusik: Kyrie e.... nee, Joe Jackson - Look Sharp / I'm The Man / Beat Crazy

14 Kommentare:

  1. ein vollständiger sonntagsgottesdienst gnihihihi, das ist die strafe für deine ewigen lästereien :p
    dir hätte ich es glatt zugetraut auf den altar zu klettern *fg*

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    1. Völlig blöde Perspektiven, außerdem kann ich mich noch halbwegs benehmen.

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  2. Banane geht wirklich nicht. Die kann man aber zur Seite schieben und sich über die anderen Torten hermachen. Ein paar Stöpselfotos könnten noch kommen - per mail meinetwegen.

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  3. da weiß man ja nicht ob man nu Glück wünschen soll oder nicht, wenn die Kinder den Fängen der Kirche überlassen werden *fg* aber im Zweifelsfall sage ich einfach mal: Glückwunsch

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  4. Mit Kindern in den Fängen der Kirche halte ich es ähnlich skeptisch wie Holzapfel. Man beachte auch das klassische Folterinstrument im Hintergrund des ersten Bildes ! Zu Bild 2: hatten die Sklaven in der Frühzeit der Zivilisation nicht auch Armreifen ihrer "Besitzer" angeflanscht ? *fg*
    Und was die "Fangesänge" angeht... nicht annähernd so laut wie am Millerntor, gell ?

    *duckundrenn*

    Gruß aus dem durch-und-durch gottlosen Regenwald ! ;-)

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    1. Bei solchen Festivitäten ist es ein großes Glück, wenn der Pfarrer eine gute Stimme hat. Dann kommen noch so knapp 10 Leute die den Text auswendig kennen und etwas lauter mitsingen, 20 die sich Mühe geben nicht gehört zu werden und die, die nur die Lippen bewegen damit sie nicht auffallen. Mir ist das zu doof, ich hab der netten Theologiestudentin gleich gesagt dass ich nicht singe, als sie mir das Textbuch überreichen wollte.

      Die gute Stimme des Pastors hat das Gemurmel glücklicherweise übertönt, aber der hatte ja auch ein Mikro.

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  5. ...scheint ja ein kuhler Paster zu sein, der hätte dir bestimmt die Stehleiter noch vorher geweiht zum Gebrauch im Altarraum.
    Und die Prinzessin hat jetzt wohl allinclusive *ggg*
    Foddos tät ich ja auch gerne mal sehen...

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    1. Der Paster war kuhl, ja. Soweit ein Paster kuhl sein kann eben *g*
      Foddos kannze sehen wennze mich mal besuchen kommst. Der Kirchenkram ist eher sparsame Dokumentation für Familje, für spektakulärere Fotos hätte ich dauernd durch den Gebetskreis tanzen müssen und ich wollte nicht ausgerechnet bei der Taufe meiner Enkel aus der Kirche fliegen *g*
      Aber die Aftershowmodelparty war Hammer :D

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  6. Kchkchkchkch - unterhaltsame Darstellung. Erinnert mich an einen ganz bestimmten Kreißsaal anno 97, mehrere OP-Tische (oder wie sagt man da - Mutterschaftsgestühl?) nebeneinander - auf einem jeden eine Hochträchtige (oder so) und vor dem einen davon außer medizinischem Personal so ein werdender Helikoptervaterspinner mit Stativ und Videokamera, der am liebsten noch Anweisungen gegeben hätte - a la: "Bitte nochmal reinschieben ... ich will das in Zeitlupe.... ".
    Ich habs gottlob nur von meiner Madam erzählt bekommen, denn da wir beide gepflegt altmodisch sind, hielt sie nichts davon, mich dabeihaben zu wollen - und ich halte diese Mode: "Papa guckt zu und muss es ergreifend finden" für so eine Art 68er Nachgeburt, auf die ich gern verzichte.
    Ich kann den Pastor dementsprechend beim Tauftheater gut verstehen. Mühsame Selbstbeherrschung statt ehrlichem Wutausbruch über diese Eventfotografie-Hyperaktivisten.

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    1. Man(n) kann es doch mal ausprobieren, vielleicht findet man(n) es ja automatisch ergreifend, wenn man(n) dabei ist *fg*
      Zur Geburt meines Sohnes hab ich mir zwar die erste Spiegelreflexkamera gekauft, aber Kreißsaalfotografie wär auch nicht so mein Ding gewesen.

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  7. Ich weiß auch nicht, warum die heutzutage alle getauft werden müssen. Mich wundert das, weils hier die Eltern meistens nicht sind (und auch nicht nachholen). Nuja, von irgendwas muss Gott ja auch leben.
    Aber trotzdem: Glückwunsch. Man soll die Feste ja feiern wie sie kommen. ;)

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  8. Ich glaub im Westen hat das mehr mit Tradition als mit Religiosität zu tun, das macht man einfach so, weil alle das so gemacht haben. Sicherlich gibts da auch starke regionale Unterschiede, auf dem Land kommt der Pastor noch zu Hause vorbei und erinnert an so Dinge wie die Konfirmation, in der Stadt muss man schon selber antanzen. Wenn man in Bayern nicht getauft ist wird man wahrscheinlich (mindestens) als Sonderling wahrgenommen, in Hamburg wirds keinen interessieren.

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