Sonntag, 26. Juni 2022

Spontanschippernachmittag

 









Freizeitgestaltung ist gar nicht mal so eine einfache Sache, wenn das Leben nur noch aus Freizeit besteht. Schließlich kann man nicht am laufenden Band in den Urlaub fahren, aber das muss man ja auch nicht, wenn man in Hamburg lebt. Da fährt man einfach in den Hafen und guckt zu, wie andere Leute in den Urlaub fahren. Kann man natürlich auch am Flughafen machen, ist aber weniger romantisch.

Schiffe gucken ist immer noch die Rettung, wenn mir nichts mehr einfällt, was man noch fotografieren könnte. Das geht am besten und bequemsten auf dem Wasser, aber da mein Lieblingskapitän seit geraumer Zeit vollauf mit der Rettung der Ilmenauschiffahrt beschäftigt ist, sind entspannte Abenteuertouren rar geworden. Es muss eine Alternative her und die "Große Hafenrundfahrt" an den Landungsbrücken ist es nicht.

Was mich hingegen schon länger reizt sind die Elbinseltouren von Maike Brunk. Die hat so viel Spaß an Hafenrundfahrten gehabt, dass sie das kurzerhand zu ihrem Beruf gemacht hat und das alleine reicht eigentlich schon als Empfehlung. Außerdem fährt sie auch mal in Ecken, für die sich seltsamerweise früher kein Mensch interessiert hat. Inzwischen interessieren sich sogar ziemlich viele, weshalb das eigentlich immer ausgebucht ist wenn ich mal gucke. Für die Idylle auf der Bille muss ich wohl irgendwann in den sauren Apfel der langfristigen Planung beißen.

Folgt man Maike auf Twitter geht es manchmal auch spontaner. Wie es der Zufall will, gibt es freie Plätze auf einem zweistündigen Hafentörn zu einer äußerst angenehmen Tageszeit. Fast schon blaue Stunde. Der Hafen ist zwar nicht unbedingt idyllisch, aber da ich ohnehin zum Stadion will um meine neue Dauerkarte abzuholen, liegt das beinahe auf dem Rückweg und da kann man das Angebot mal eben wahrnehmen

Als geradezu ideal erweist sich der Anleger Kajen weil es, anders als an den Landungsbrücken, jede Menge Parkplätze gibt, was ganz sicher zur Entscheidungsfindung beigetragen hat. Als ebenfalls ideal stellt sich die Barkasse Hansa heraus, mit einer Plattform auf dem leicht erhöhten Achterdeck, die genug Bewegungsfeiheit bietet für Menschen mit Kamera. Allet schick, kann losgehen.

Wir passieren drei der wichtigsten Schiffe im Hamburger Hafen, die Cap San Diego und die Rickmer Rickmers, von denen ich jeweils bestimmt schon drölfzig Fotos geschossen habe, aber sie sind halt da, was will man machen. Die Branddirektor Westphal aber ist einigermaßen neu und Menschen mit Hafengeburtstagsallergie könnten die verpasst haben. Also ich höchstwahrscheinlich schon.

Wenn ich das noch richtig in Erinnerung habe, ist die Branddirektor Westphal das zweitallerbeste Löschboot der ganzen Welt und wenn ich sehe, wie oft irgendwelche Everdingsdas den Hamburger Hafen anlaufen, war die Anschaffung bestimmt keine schlechte Idee. Am Burchardkai liegt auch prompt wieder eins von den Dingern, beim letzten Fototermin mit der Mol Triumph bin ich noch stundenlang durch die Pampa gelatscht, einfach mal rumschippern lassen ist deutlich entspannter.

Und man kommt wirklich überall rum, denn Barkassen haben gegenüber alten Hafenschleppern einen großen Vorteil: Keinen Mast, der einen irgendwo an der Durchfahrt hindert. Dadurch lerne ich tatsächlich ein bis zwei bislang unbekannte Ecken des Hafens kennen, in denen unser Exportschlager nach Afrika gelagert wird: Schrott. Bergeweise Schrott, bei denen man sich fragt, wo wir das alles hätten lassen sollen, wenn wir das nicht einfach in andere Länder kippen könnten. 

Das Kontrastprogramm liegt dann zwei Hafenbecken weiter, kostet 5 Mio pro laufendem Meter Hochglanzpolitur und kann von seinem Besitzer nicht genutzt werden, weil sein Obermufti gerade rumhitlert. Aber wahrscheinlich haben solche Typen alle irgendwo eine Zweityacht, lustig könnte es höchstens werden, wenn sie nur noch auf dem Baikalsee damit protzen dürfen.      

Zum Abschluss geht es noch in den Hansahafen zur Peking. Der Hamborger Veermaster kann sich zwar mangels Motor und Segeln nicht mehr aus eigener Kraft bewegen, dafür hat er mit ca. 38 Millionen für Überführung und Sanierung weniger gekostet als acht Meter Oligarchenschüssel und sieht sehr viel schicker aus. Da werde ich wohl nochmal hin müssen, weil alle vier Masten auf einem Foto schon eine Herausforderung sind, wenn man kurz dran vorbeischwimmt.

Höchstwahrscheinlich fahre ich dann wieder mit der Frau Brunk und kann das auch allen anderen empfehlen, die mal wieder ohne die HADAG durch den Hafen schippern wollen. Kostet 'nen Zwanni mehr als die HVV Tageskarte, macht aber deutlich mehr Spaß.

 

Fotos dazu: Nikon D7200

Musik dazu: Prince - Sign O' The Times /  Diamonds And Pearls / Musicology















 


 

      


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