Sonntag, 17. August 2025

Treppenhausderby

 










"Na" grüßt mich der Nachbar im Treppenhaus, als ich in Fanutensilien gekleidet selbiges betrete, "auf dem Weg ins Stadion? Erstes Spiel und gleich ein kleines Stadtderby." Wovon redet der Mann? Norderstedt ist ja noch mehr Vorstadt als dieser andere Vorstadtverein, ein kleines Stadtderby wäre was gegen Altona 93. 

Da ich wegen des nervigen Sommerdoms den ÖPNV nutzen muss, habe ich keine Zeit für Treppenhausdiskussionen und nicke nur kurz. "Wir müssen ja nach Pirmasens." Confirmed. Mein neuer Nachbar ist eine Raute, waren also doch nicht nur Möbelpacker mit hsv-Trikots die ich gesehen hatte. Damit gewinnt das richtige Derby natürlich noch einiges an Wert, zumindest für zukünftige Treppenhauskonversationen.  

Zunächst würde mir ein Erstrundensieg im Pokal völlig reichen, nicht auszudenken in was für Diskussionen man verwickelt werden könnte, bei einer Niederlage gegen Eintracht Norderstedt im eigenen Stadion. Ich müsste fortan jedesmal durch den Türspion gucken, bevor ich mich ins Treppenhaus traue. 

Beim Bierchen mit den Veteranen vor dem Spiel ist es natürlich völlig ausgeschlossen, dass wir das heute verkacken, zumindest zieht das niemand auch nur annähernd in Erwägung, es herrscht pure Vorfreude, endlich wieder Stadion und die Jungs spielen sehen, Fujita, Pereira Lage, Hountondji, lauter zukünftige Fußballgötter, wird bestimmt geil. 

Und dann guck ich nach den ersten 45 Minuten ziemlich fassungslos aus der Wäsche und denk mir ja, ist schon geil wie die spielen, gefühlt 90% Ballbesitz, ein Angriff nach dem anderen, Spiel auf ein Tor, nicht eine einzige Chance für Norderstedt und mit Joel Chima Fujita ein neuer Lieblingsspielerkandidat, der im Mittelfeld rotiert wie seinerzeit Mats Møller Dæhli, nur mit doppelter Geschwindigkeit. Voll geil alles, ABER KÖNNTE MAL JEMAND DAS TOR TREFFEN BITTE?

Bei einem Nachdenkbier in der Halbzeitpause sinniere ich darüber, welche glücklichen bzw. unglücklichen Umstände dazu führen können, dass Bundesligisten gegen Amateure aus dem Pokal fliegen. Einer der Hauptgründe dürfte sein, dass der Bundesligist bei allen Bemühungen einfach das Tor nicht trifft. Davon haben wir gerade 45 Minuten hinter uns und keine Garantie, dass es besser wird. 

Dann braucht der Amateurverein nur noch ein bis zwei Pokalhelden, das Zeug dazu hat auf jeden Fall der Norderstedter Torwart, der an der bisherigen Torflaute nicht ganz unschuldig ist. Fehlt noch Held Nummer zwei, dem der Ball irgendwann vor die Füße fällt, vorzugsweise in der letzten Spielminute und schon ist es passiert. Vestenbergsgreuth, Eppingen, Norderstedt.

Der fatale Irrglaube, bei der dominanten Spielweise müsse der Ball zwangsläufig irgendwann im Netz zappeln, lässt mich die zweite Hälfte noch relativ gelassen angehen. Der Klassenunterschied ist zu offensichtlich, das muss sich einfach irgendwann auszahlen. Norderstedts potenzieller Pokalheld Nummer 1 ist aber weiterhin nicht zu überwinden und wie jeder weiß läuft die Zeit doppelt so schnell, wenn man hinterherlaufen muss. Siebzig-achtzig-neunzig und es gibt 30 Minuten mehr Fußball fürs Eintrittsgeld, das ist doch was.

Vor allem ist es etwas, das gewaltig in die Hose gehen kann. Bei unserer Abschlussschwäche fürchte ich ein Elfmeterschießen und dann brauchen die Norderstedter auf einmal nur noch einen Pokalhelden. Den haben wir gerade 120 Minuten lang warmgeschossen, während Nikola mit Dehnübungen beschäftigt war.

Aber weil Nikola einfach der GOAT ist schrammen wir an der Blamage mit einem mageren 2:3 Sieg n.E. vorbei und ich kann vorerst problemlos den Hausflur benutzen. Pirmasens soll ja auch nicht so einfach gewesen sein. 

   

Was sonst noch gut war:

Lars Huxsohl heißt der Mann im Norderstedter Tor. Beifall verdient.

Der Beifall für die Norderstedter Mannschaft am Spielende. Auch verdient. 

Was sonst noch schlecht war:  

Die Pommes auf dem DOM hinterher. 

Fujita beim Elfmeter 

 

Fotos dazu: Gegengerade Millerntor, FC Eintracht Norderstedt - FC St.Pauli, Endstand 2:3

Links dazu: Auch ein kotzendes Pferd kann hoch genug springen (Millernton) Auswärtssieg am Millerntor (Stefan Groenveld)

Musik dazu: Doechii - Alligator Bites Never Heal