Mittwoch, 19. September 2018

Stadtansichten: Kirchwerder


















Hamburg ist keine Stadt, Hamburg ist eine Ansammlung von Dörfern. Keine Ahnung wer das mal gesagt oder geschrieben hat und auch nicht, ob das positiv oder negativ gemeint war. Es stimmt allerdings, Hamburg ist viele Dörfer, auch wenn man das z.B. Eppendorf nicht unbedingt ansieht und Osdorf noch viel weniger, anderen Gegenden dafür um so mehr.

Im Südwesten wäre da das Alte Land mit seinen Kirsch- und Apfelbäumen, im Südosten die Gemüseabteilung der Vier- und Marschlande, mit über 800 Jahren eine der ältesten erhaltenen Kulturlandschaften. Fruchtbarer Boden. Kirchwerder ist einer der vier Vierländer Stadtteile, in denen man sein Gemüse noch beim Bauern kauft, statt im Supermarkt. Zumindest die drei Vierländer die ich kenne machen das so, weil "sonne Tomaten krisse im Supermaakt gaanich".

Kirchwerder wäre durch die Elbfähre nach Hoopte auch die nächste Möglichkeit, einen Stau auf den Elbbrücken zu umgehen. Also theoretisch zumindest, denn der Stau müsste schon ungemein heftig ausfallen, damit sich das zeitlich irgendwie auszahlt. Kommt aber durchaus nicht selten vor, in solchen Situationen wird eine zweite Fähre eingesetzt und im 5-Minuten-Takt gependelt. Für zwei Euro darf man als Fußgänger übersetzen, für jeweils zwei weitere Euro kann man ein Pferd, Rindvieh, Maultier, Schwein, oder was man sonst so dabei hat, mit ins niedere Sachsen nehmen. Autos kosten fünfzig Cent mehr, es lebe die Landwirtschaft.

Wer hier am Wochenende Ruhe sucht sollte sich nicht am Deich aufhalten, die Strecke ist gerade an diesen Tagen außerordentlich beliebt bei Motorradfahrern und solchen, die sich dafür halten. Wenn unterwegs der kleine Hunger kommt bietet sich der Imbiss am Fähranleger an oder, deutlich edler und teurer, das Zollenspieker Fährhaus. Kulinarisch soll der Unterschied allerdings nicht ganz so gewaltig ausfallen hab ich mir sagen lassen, Zanderfilet können sie jedenfalls nicht und die letzte Erdbeerschnitte an die ich mich erinnern kann war Bäckers Standardgelatineglibber mit Sprühsahne.

Für Leckermäuler wäre die Riepenburger Mühle eventuell eine Alternative, wenn es nicht gerade Sonntagnachmittag ist und man eigentlich schließen will. Dann beschränkt sich die Auswahl auf Baisertorte, Baisertorte oder Baisertorte, in den Geschmacksrichtungen Erdbeer, Stachelbeer oder Johannisbeer, wobei Erdbeer wahrscheinlich die schlechteste Wahl war, aber sind irgendwo Erdbeeren drin, dann kann ich halt nicht anders. Den Kaffee dazu gibt es aus der guten alten Tropfmaschine, Neuerungen wie Laddematschiado sind noch nicht bis in die Marschlande vorgedrungen und "to go" mit dem hauseigenen Porzellan schon gar nicht.

Das größte Naturschutzgebiet Hamburgs, die Kirchwerder Wiesen, sind sicher furchtbar interessant wenn man auf dem Boden kriechen und Grashüpfer fotografieren will, aber ich hab Gott sei Dank mein Makro nicht dabei. Landschaftlich ist es eher nicht so der Hammer, sehr flach, sehr grün und viele Gräben und betreten darf man das alles sowieso nicht, weil man als orientierungsloser Städter sicherlich seltene Pflanzen zertrampeln oder irgendwelche Bodenbrüter stören würde.

Meine letzte Anlaufstelle ist die Kirche, die mit ein paar beeindruckenden Geschichten aufwarten kann, von erschlagenen Pfarrern, dem folgenden Großen Kirchenbann, oder von Arp Schnitger, der die Kirchenorgel zwar nicht gebaut, aber immerhin einmal repariert hat. Der Kernbau von St.Severini stammt noch aus dem 13. Jahrhundert, von der ehemaligen Feldsteinkirche sind allerdings nur noch wenige Teile erhalten, Backstein hat sich hier im Norden einfach irgendwann mal durchgesetzt. 

Bewundern kann man auf dem Friedhof außerdem Norddeutschlands größte Sammlung von Grabplatten aus der Zeit von 1586 bis 1753, gefertigt aus Elbsandstein und daher auch mehr oder weniger gut erhalten. Sieht man sich das genauer an, erschreckt die extrem hohe Kindersterblichkeit, ganz besonders die Familie Ricken mit ihren sieben seligen Kindern war schwer gebeutelt. Da können wir alle nur von Glück sagen, in der heutigen Zeit geboren zu sein.

Obwohl ja manche Menschen inzwischen wieder auf Bachblütenreiki setzen, satt ihre Kinder impfen zu lassen.

Fotos dazu: Riepenburger Mühle / Zollenspieker Fährhaus / Elbe / Fähre Hoopter Möwe / Deich / Landleben / Gewächshäuser / St.Severini / Grabplatten - alles Nikon D7200/18-200mm
Musik dazu: Florence + the Machine - How Big, How Blue, How Beautiful





























6 Kommentare:

  1. das mit den 7 seligen kindern ist echt heftig, wenn 4 jahre schon ein rekord sind. hat aber bestimmt nicht an fehlenden impfstoffen gelegen zu der zeit :p
    nette gegend, komme ich nur nie hin weil vieel zu weit weg :)

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    1. An fehlenden Impfstoffen nicht, aber vermutlich an fehlender Hygiene, den Bachblütenmedikamenten der Kräuterfrau o.ä.

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  2. hooray hooray, ich bin übrigens durch mit teil 1, irgendwelche tipps für teil 2? werde ich auf jeden fall in der einfachsten schwierigkeitsstufe spielen, die bossgegner waren mir alle eine spur zu heftig.

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  3. Einer der 3 4länder kauft gar keine Tomaten, der hat selber welche im Garten ;)

    lg
    Rolf

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    1. Angeber. Mich würden Erdbeeren ohnehin mehr reizen.

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