Sonntag, 27. April 2014
Mit 17 wär das nicht passiert
Vorschau
Wenn Sonntags um 10 Uhr der Wecker klingelt erinnert man sich plötzlich wieder dran, wofür so eine Saison in der ersten Liga gut wäre. An die Anstoßzeiten in der zwoten vermag sich mein Kopf nicht zu gewöhnen, daher gehe ich von 13 Uhr aus und gewinne 30 Minuten. Samstag war der Tag mit der noch blöderen Zeit, in dem Moment in dem ich mir das gemerkt habe steigen wir sicher auf.
Das Wetter ist immer noch ein Traum, man kann ein T-Shirt anziehen zum Fußball, der Schal ist eigentlich zu viel bei der Sonne, aber egal, muss mit. Auf dem Weg zum Bus habe ich die ganze Zeit das blöde Gefühl dass doch etwas fehlt, in der U-Bahn fällt es mir wieder ein: die Kamera. Verflixt, keine Bilder heute, es sei denn Herr L. leiht mir sein Smartphone. Ich werd echt alt, mit 17 wär mir das nicht passiert.
Rechtzeitiges Erscheinen wird durch schnelle Biere belohnt, ich bin früher auf dem Platz als Herr L. und trink mir schon mal einen an, die Hitze macht durstig. Zehn Minuten später ist Herr L. mit zwei weiteren Bieren dabei und erklärt mir kurz sein Smartphone, damit ich wenigstens ein bis zwei bunte Beilagen liefern kann. Die Jungs auf dem Platz machen sich warm, und der markante Kopf unseres Käptns fehlt tatsächlich. Das halte ich für einen großen Fehler und der Rest im Stadion auch, denn bei der Mannschaftsaufstellung schreien alle den gleichen Namen: BOLL.
Die Nichtberücksichtigung unserer Herz 17 ist nicht die erste merkwürdige Entscheidung des Cheftrainers, aber eine die ihn in meiner Gunst deutlich sinken lässt. Taktische Fehler kann man mal machen, über menschliche sehe ich seltener hinweg.
Spiel (1)
Taktische Fehler sehen wir sofort auf dem Rasen, keine drei Minuten gespielt, Steilpass ins Zentrum, Torre und Kalla können nicht klären und Heerwagen sieht von hier aus auch eher unglücklich aus bei seinem Abwehrversuch, 0:1, setzen. Das fängt ja mal wieder gut an, wenigstens haben wir 87 Minuten Zeit das zu drehen, der einzige Vorteil früher Gegentore.
Doch nix ist, die Mannschaft agiert wieder wie ein Hühnerhaufen, Pässe werden bevorzugt in den freien Raum gespielt, in den freien Raum in dem die Enterprise landen könnte, aber garantiert keiner unserer Spieler läuft. Planlos, ideenlos und ohne eine einzige halbwegs ernsthafte Torchance verbringen wir die restlichen 43 Minuten bis zur Erholungspause.
Zwischenspiel
Unsere nette Nachbarin geht Bier holen und bringt uns zwei Pötte mit, während ich versuche herauszufinden, wer in der näheren Umgebung dieses penetrante Aftershave benutzt. Ich komme mir vor wie in einer Douglasfiliale, da kann nicht mal die Sportzigarette gegen anstinken. Ohne Knipse und großartige Choreos kommt auch das Smartphone nicht mehr zum Einsatz, wir quatschen über dies und das, dann geht es weiter. Leider.
Spiel (2)
Gregoritsch ersetzt Ziereis, die Abwehr wird mal wieder umgebaut um offensiver zu werden. Klappt nicht wirklich, nach vorne weiterhin wenig bis garnix und nach hinten wieder Hühnerhaufen. Das Gemecker von Herrn L. dringt zwar häufig an mein Ohr, aber da ich stehe bekomme ich keine Einzelheiten mit. Ist vielleicht auch besser so, ich kann das Elend selber erkennen. Das eigentlich Erschreckende dabei ist nur, dass ich den Jungs nicht einmal den Willen absprechen kann, nur das Können ist irgendwann verschütt gegangen. Beim Schiedsrichter auch, der pfeift sich eine Grütze zusammen dass es nicht zum aushalten ist.
In der zweiten Hälfte fängt er an mit Karten, erst Thy, dann Ratsche, als nächster Schachten. Der berührt einen anstürmenden Aalener leicht im Strafraum und der nutzt das aus, Elfer, 0:2. Macht keinen Spaß mehr, vielleicht sollte ich was lesen. Die Stadionzeitung wär da noch, aber ich hab plötzlich null Bock auf Fußball. Unten auf dem Rasen ist es ähnlich, null Bock auf Fußball. Da unten fehlt jemand der das Kommando übernimmt, da unten fehlt die #17. Ein wenig Hoffnung habe ich noch als Bartels kommt, aber der kurze Schwung den er bringt verpufft ziemlich schnell. Ratsche versucht es wenigstens mal aus der Distanz, aber der Keeper ist unten, nichts mit Anschlusstreffer, dafür wieder so ein Bilderbuchkonter durch Aalen mit dem NIEMALS jemand rechnen konnte, denn das geht viel zu einfach. 0:3, der Drops ist gelutscht.
Die letzten zehn Minuten werden zu einer echten Herausforderung, Herr L. lacht bei einer Aalener Flanke nur noch gequält, als der Ball unbehelligt durch unseren Strafraum segelt. "Das wird noch ein Debakel wenn die so weitermachen" sagt er "und das nicht mal zu Unrecht." Inzwischen bekommt Aalen offenen Szenenapplaus, während unsere Ballstafetten von ironischen "hey" Rufen begleitet werden. Das ist schon ´ne bittere Pille für die Jungs auf dem Platz. "Guck mal" stößt Herr L. mich an und deutet auf die Mundlöcher. Die ersten gehen, so what? Ein paar hat es immer gegeben, solange das keine Völkerwanderung wird wie in anderen Stadien sind mir die egal, eventuell ist es ja meine Dauerkarte die da geht. "Ich würde am liebsten auch gehen" gesteht Herr L.
"Würden würde ich auch" sag ich, "aber der wichtige Punkt is, ich mach´s trotzdem nich, auch wenn ich noch so gerne würden würde." Zum Glück hat der Schiri ein Einsehen und beendet die Vorstellung pünktlich, nicht auszudenken man hätte davon 7 Minuten Nachspielzeit bekommen.
Als wir das Stadion verlassen wollen ertönt weiter oben ein kräftiges lautes "Buuuh!", just als ich den Verursacher ausmache noch einmal provokativ in meine Richtung. Auf meine Empfehlung "Geh doch Volkspark du Kasper" quatscht mich gleich der nächste Clown an, von wegen er hätte schließlich Eintritt bezahlt und damit das Recht seinen Unmut zu bekunden.
Bleibt mir bloß vom Hals damit und geht woanders, echt mal.
Nachspiel
Herr L. spendiert ein Trostfischbrötchen mit lecker Bismarckhering, dazu noch zwei Bierchen und einen Schal, weil er seinen auf dem Sitz vergessen hat. Keine zwei Minuten später ist der natürlich weg, so etwas kann man auch einfach mal liegen lassen. Auf den Bildschirmen in der Gegengerade schießt Altintop gerade das 1:0 gegen die Rauten, was für allgemeines Gejohle sorgt, immerhin etwas über das man sich amüsieren kann. Wenn wir in der nächsten Saison Derbys gegen die spielen, dann hoffentlich in einer anderen Verfassung.
Vor den Fanräumen werden wir von Herrn B. abgefangen, der uns durch die Menge zur Tresenkurve lotst, wo seine Gattin als Überraschungsbesuch wartet. "Na" frag ich "wirste jetzt doch noch Fußballfan?" aber die Antwort war gerade nach diesem Spiel nicht überraschend. So wenig wie der allgemeine Tenor. Mit 17 wär das nicht passiert.
"Hoffentlich klappt´s am letzten Spieltag gegen Aue" sagt Herr B. "schlimmer kann es eh nicht werden. Obwohl... eigentlich sagen wir das ja immer."
Runterkommmusik: Morcheeba - Who Can You Trust?/Big Calm
Unterirdische Leistung, da hätte auch ein Boll nichts mehr gerissen. Ganz im Gegenteil, sein Einsatz an diesem Tag wäre eine Bestrafung gewesen, lieber die zehn Schlussminuten gegen Aue, vielleicht sind die nicht so grausam. Und wenn das stimmt was in der Morgenpost steht gehört zur neuen Saison jemand anders auf die Trainerbank.
AntwortenLöschenWahrscheinlich hätte auch ein Boll nichts geändert am Ergebnis, der Titel ist nicht ganz ernst zu nehmen und einen Schlusseinsatz bei der Katastrophe auf dem Rasen hätte ich ihm auch nicht zumuten wollen. Die Morgenpest hat sich diesmal tatsächlich nichts aus den Fingern gesaugt, ich habe die PK gesehen, schlimm. Immerhin ist RV heute ziemlich zurückgerudert, mal sehen ob das reicht.
Löschen