Hannover ist durchaus auch jenseits von Auswärtsspielen eine Reise wert und wer jetzt darüber lacht dem sei gesagt, dass man in Hannover immerhin einen Parkplatz findet, wenn man da hin muss. An einem Samstagnachmittag. In einer Wohngegend. Zehn Minuten vom Hauptbahnhof. Versuch das mal in St.Georg.
Das erklärt natürlich nicht, warum ich mich jenseits von Auswärtsspielen in Hannover herumtreibe, aber auch da gibt es nette Menschen und Angebote, die man nicht ablehnen kann. Eine Freundin darf ihre Bilder in der Niki-de-Saint-Phalle-Promenade ausstellen, weil der Schuhladen noch keinen Nachmieter gefunden hat und ich darf Kunst und Künstler fotografieren. Endlich mal etwas anderes als Dorfteiche.
Bei der Vernissage werden vernissagetypische Getränke angeboten, Sekt, Sekt mit O und Herri, wie man das Bier in Hannover nennt. Also eigentlich kein Grund sich dauerhaft an der Bar aufzuhalten, stünde da nicht die entzückendste Bardame überhaupt, von der ich mich leider irgendwann losreißen muss, weil es ja nicht mein Job ist Bardamen zu fotografieren.
Immerhin kann ich endlich mal die Gelegenheit nutzen und Künstler zu ihrem Werk befragen, das erleichtert ungemein das Verständnis für alles, was über Bob Ross hinausgeht. Der in Künstlerkreisen übrigens durchaus wertgeschätzt wird wie ich erfahre, schon weil er viele Menschen zur Malerei gebracht hat. Angeblich sogar völlig untalentierte, ich werd's aber wohl doch lieber nicht versuchen.
Die Kunst bereitet mir ja jetzt schon leichte Kopfschmerzen, denn wie fotografiert man Kunst? Um das möglichst exakt abzubilden müsste man eigentlich in ein Studio gehen, aber solange der Name nicht Kandinsky und der Ort nicht das Guggenheim-Museum ist wird mein Einsatz noch reichen hoffe ich.
Fotos dazu: Nikon D7200
Musik dazu: Thees Uhlmann - 100.000 Songs Live in Hamburg
Auf der Rückfahrt von Hemmoor entdecke ich ein Schild, das meine sofortige Neugier weckt. "Zur Wassermühle" geht es da, an irgend einer Kreuzung zwischen Buxtehude und Hamburg und sofort habe ich Bilder im Kopf, von klappernden Mühlen und rauschenden Bächen, wie in dem alten Kinderlied. Und von Stativen und Langzeitbelichtungen. Da ich meine Neugier aus zeitlichen Gründen heute nicht befriedigen kann werde ich im Internet nachforschen müssen, wo hier eine Wassermühle steht und sich möglicherweise sogar dreht.
Ganz überraschend finde ich sogar drei Wassermühlen in der Gegend, davon scheint das Mühlenmuseum Moisburg am interessantesten zu sein und wird der erste Anlaufpunkt einer geplanten Mühlentour, für die ich am Ende drei Anläufe brauche, denn für keine Wassermühle der Welt stelle ich mich freiwillig in einen zehn Kilometer langen Stau auf der Autobahn und das ist mittlerweile Alltag wenn man in den Süden will.
Das Mühlenmuseum in Moisburg ist wirklich schön erhalten, hat aber natürlich kein schickes altes Mühlrad aus Holz, sondern eines aus Metall, was sicherlich sinnvoll, aber eben nicht romantisch ist. Dafür dreht es sich sogar ab und zu, aber leider nur an Sonntagen mit Autobahnstau. Um es einigermaßen vernünftig fotografieren zu können müsste man beim Nachbarn über den Zaun steigen, wofür mir sowohl die erforderliche Fitness als auch die nötige Frechheit fehlt.
Der nächste Versuch ist ebenfalls nicht sonderlich von Erfolg gekrönt, aber an der Holmer Mühle kann man gut sehen, warum Mühlräder nicht mehr als Holz sind. Schon der hölzerne Vorbau ist dermaßen verrottet, dass vor dem Betreten gewarnt werden muss. Auch hier gibt es feste Betriebszeiten, um das Mühlrad in Aktion zu sehen müsste ich am 12.11. zwischen 10 und 13 Uhr wiederkommen. Am besten mit sehr hohen Gummistiefeln, mit denen ich mich dann in der Seeve stehend so richtig schön auf's Maul packen könnte, aber das wäre die einzige lohnenswerte Perspektive.
Eigentlich wäre es das auch gewesen, aber wenn der Rückweg direkt an der Seppenser Mühle vorbei führt nutz ich das natürlich aus. Hier klappern allerdings nicht einmal die Fenster und ein sich drehendes Mühlrad würde den Schuppen garantiert endgültig zusammenbrechen lassen, was der Denkmalschutz auch nicht verhindern könnte.
Dafür böte die Seppenser Ruine den schönsten Blick aus dem Fenster, wenn es jemand reparieren würde.
Kein Mensch, der noch halbwegs bei klarem Verstand ist, fährt freiwillig die Strecke von Hamburg nach Hemmoor. Auch wenn man sich einen Teil der berüchtigten B73 durch die Autobahn zwischen Horneburg und Stade sparen kann, es bleiben immer noch genug Kilometer übrig, auf denen Autos mit CUX auf dem Kennzeichen fahren, die LKW nicht überholen können, die wiederum Trecker nicht überholen können, weshalb man unter Umständen eine ganze Weile mit 25 km/h durch die Gegend zuckelt, wenn man nicht gerade zehn Minuten vor einer Baustellenampel steht.
Waghalsige Überholmanöver scheiden aus, denn wir besuchen die letzte noch lebende Verwandtschaft und es wäre doch ziemlich blöd, wenn die andere noch lebende Verwandtschaft dann nicht lebendig ankommen würde. Also erträgt man stoisch den Verkehr, es hat immer schon zwei Stunden gedauert und es wird bis in alle Ewigkeit zwei Stunden dauern, ganz egal wie viele Straßen die noch bauen.
Zur Belohnung gibt es selbstgebackenen Pflaumenkuchen und ich kann im Familienarchiv wühlen, historische Fotos von Groß- und Urgroßeltern, Onkeln, Tanten, Unbekannten. Jede Menge Stoff, von der Feldpostkarte aus dem ersten Weltkrieg bis zur weitgehend unbekannten Verwandtschaft in Kanada. Muddern als Teenager ist die Krönung, aber was ich mir insgeheim erhofft hatte ist natürlich nicht dabei. Kein Mensch hat jemals Fotos von Hemmoor gemacht!
Das ist zwar nicht weiter verwunderlich, weil die größte Attraktion eine über 100 Jahre alte Schwebefähre über die Oste ist und der Rest weitgehend aus Feldern besteht, aber so existiert scheinbar kein einziges Foto der legendären Dorfkneipe, in der sämtliche Festivitäten des Dorfes stattfanden, vom Schützenfest bis zur Feuerwehrhauptmannshochzeit. Und natürlich gibt es auch keins von meinem Großelternhaus.
Das allerdings könnte ich nachholen, denn das steht immer noch. Wahrscheinlich schon lange mit Warmwasser und ohne Plumpsklo und Kohleherd, aber möglicherweise auch ohne Birnenbaum, ohne Kirschbaum, ohne Stachel- und Johannisbeeren oder Rhabarber und ganz bestimmt ohne Erbsen. Um das zu verifizieren müsste ich vielleicht einfach nur hingehen und klingeln, aber da wohnen angeblich komische Leute mit großen Hunden die niemand kennt (die Leute, die Hunde aber wohl auch) und das finde ich geradezu schockierend. Hemmoor ist zu groß geworden. Leute die niemand kennt gibt es ja nicht mal in einer Kleinstadt.
Eins aber ist noch unverändert, seit Thees Uhlmann die Stadt verlassen hat:
Hier gibt es Restaurants, in die niemand geht Weil das Essen um Punkt sechs auf den Tischen steht
Ich hätte, trotz des Pflaumenkuchens, irgendwie schon gern mal geguckt was das Familienrestaurant Pommes Piraten so zu bieten hat, weil Piraten triggert halt immer, aber das hat entweder die Coronakrise oder Hemmoor nicht überlebt.
Fotos dazu: Oste bei Hechthausen/Schwebefähre/FeldWaldWiese/Osten am Deich - Nikon D7200
Musik dazu: Bob Dylan - Blood On The Tracks/Hard Rain/Real Live
Wer kennt sie nicht, die berüchtigten Fallwinde am Millerntor, die selbst überragend getroffene Bälle kurzerhand bis ins Hafenbecken befördern können, unsere Präzisionsschützen damit häufig zur Verzweiflung treiben - und die Zuschauer gleich mit. Was für ein Segen, dass ich nicht mehr genug Haare habe die ich mir raufen könnte, in der ersten halben Stunde hätte ich sicher auch noch den Rest verloren. Was war da eigentlich der Plan? Die Kieler so lange spielen zu lassen, bis sie in Führung gehen können? Die kommen mit einem One-Touch-Pass nach dem anderen ganz locker vor unseren Strafraum und erspielen sich eine Ecke nach der anderen, sind eigentlich immer schneller als ihre Gegenspieler und müssten längst in Führung gehen, wären da nicht zwei entscheidende Hindernisse, ein Eric Smith in Hochform und, naja, die Fallwinde halt.
Eigentlich sollte man nach solchen Spielen ein mindestens dreitägiges Schweigegelübde ablegen, zumindest so lange bis sich der Ärger gelegt hat, aber da habe ich gerade keine Hoffnung. Zu viel erinnert mich an die grauenhaften Hinserien der letzten Jahre, nach denen wir überragende Rückserien spielen mussten um nicht abzusteigen. Dagegen war die letzte Saison geradezu eine Erholung, um den Aufstieg zittern ist schon etwas anderes, da drohte wenigstens keine Vollkatastrophe.
Die werden wir wohl nur vermeiden können, wenn Bornemann in der Winterpause wieder zwei Typen wie Marmoush und Zambrano irgendwo auftreibt, Serdar Dursun verpflichten kann oder vielleicht so einen wie Nils Petersen von den Freiburgern leihen könnte. Von Max Kruse träumen auch schon so einige in meinem Umfeld, der könnte sich wenigstens für ein halbes Jahr hier fithalten und uns nebenbei den Arsch retten, solange er sich dabei nicht verletzt schafft er das sogar alleine. In Hamburg gibt's doch eine Spielbank, oder? Garantiert wär der billiger als ein Abstieg.
Solche Kaliber werden wir benötigen, denn unsere zweite erste Reihe ist, genau wie die erste erste Reihe, an Mut- und Harmlosigkeit kaum zu übertreffen. Es ist völlig egal ob ein Matanovic wie ein müder Traber über den Rasen stolpert, oder ein Eggestein über seine eigenen Füße, sie kriegen den Ball nicht unter Kontrolle und sie kriegen ihn nicht auf's Tor. Kopfbälle gewinnen immer die anderen, bei fast jedem Gegner wird inzwischen auf die Kopfballstärke hingewiesen, vor der man sich in Acht nehmen müsste. Da könnte man glatt auf den Gedanken kommen, mal ein paar kopfballstarke Spieler zu verpflichten. Bis dahin sollten allerdings vermehrt Flanken geübt werden, am besten direkt am Millerntor.
Wegen der Fallwinde.
Was sonst noch gut war:
Eric Smith, einsame Klasse. Große Freundschaft mit Wriedt wird das nicht mehr.
An alle "Nikola Vasilj ist ja ganz okay als Torwart aber er müsste uns auch mal ein Spiel retten" Loide: Hat er heute gemacht, dass es trotzdem nicht drei Punkte waren ist ihm nicht anzulasten.
Bier und Klönschnack nach dem Spiel vor der Südkurve, dabei gleich einen neuen Experten kennengelernt. Uns fehlt ein starker Sechser (war mir tatsächlich bis heute nicht bewusst) und es war ein Fehler die Sportpsychologen zu entlassen (was durchaus möglich ist, wenn wir in Karlsruhe keine drei Punkte holen brauch ich auch bald einen)
Was sonst noch schlecht war:
Wegen der verkackten WM in fucking Qatar die schönen Dezemberspiele bei Minustemperaturen zu verpassen ist eine Sache, aber im November mit Last Christmas aus dem Stadion geworfen zu werden, wer zum Geier hatte denn diese beknackte Idee? Wäre das Forum nicht ohnehin gerade offline hätte der sich eine Menge Feinde gemacht.
Die Verabschiedung von Roger Hasenbein hat leider gezeigt, dass vielen Menschen im Stadion der Name nicht bekannt war. Da hätte mehr kommen müssen von den Rängen.
Was ein wenig Hoffnung geben würde:
3 Punkte in Karlsruhe
3 Punkte in Karlsruhe
3 Punkte in Karlsruhe
3 Punkte in Karlsruhe
3 Punkte in Karlsruhe
Fotos dazu: Gegengerade Millerntor - FC St. Pauli - KSV Holstein Kiel, Endstand 0:0
Einfach mal ganz optimistisch in den Spieltag starten, gegen den Tabellenführer aus Darmstadt, was soll schiefgehen? Schließlich habe ich unlängst das Geheimnis des Erfolges entdeckt: Immer wenn ich auf meinem Platz in Block 4 gesessen habe, was diese Saison nur gegen Magdeburg und Stellingen der Fall war, haben wir 3:0 gewonnen. Das kann ja durchaus ein Zeichen sein, von wem auch immer, auf jeden Fall wäre es echt blöd, das einfach zu ignorieren. Zwar ist auch heute wieder ein Platz bei der Rentnergang frei, aber diesen abergläubischen kleinen Spleen als Fußballfan will ich mir einfach gönnen und man stelle sich einmal vor, wir würden das tatsächlich wieder mit 3:0 gewinnen, das wäre doch ein Heidenspaß als Karmagott, zumindest bis zum nächsten Heimspiel.
Naja, hat leider nicht so ganz geklappt, ist also weiterhin völlig egal wo ich sitze und die sportlich verantwortlichen dürfen sich ganz alleine den Kopf zerbrechen, warum wir eigentlich immer guten Fußball spielen, uns abrackern bis zum geht-nicht-mehr, uns sogar gute Torchancen erspielen, aber trotzdem am Ende häufig mit (fast) leeren Händen dastehen.
Drei Punkte heute wären nicht nur nötig, sie wären auch möglich gewesen. Zwei Treffer in der ersten Hälfte machen, dann vielleicht nicht so lange pennen und den Ronstadt bis zum 16er rennen und abschließen lassen, dazu der schöne Treffer von Daschi zum Ausgleich, es hätte durchaus 3:0 enden können. Hätte hätte Fahrradkette.
Glaube versetzt angeblich Berge, Aberglaube wohl nicht so.
Was sonst noch gut war:
Afeez natürlich, dem ich endlich mal ein Heimspieltor gönnen würde. Er kommt dem Kasten immer näher.
Das Spiel an sich, das war schon sehr gut.
Sehr sehr viel Solitapeten für die Seenotretter und natürlich: FUCK FRONTEX
Überraschung des Tages:
Amenyido kann sich durch den Strafraum dribbeln wie Messi in Hochform. Leider keine Überraschung, dass er den danach nicht verwandelt.
Was nicht so gut war:
Busse die nicht kommen und Busse die einen übersehen, weil die Haltestelle nicht beleuchtet ist. Demnächst hänge ich mir eine Lichterkette um den Hals.
Kaum ist der Zirkus weg baut der DOM schon wieder auf. Heiligesscheißfeld, du nervst.