Montag, 12. August 2019
Der Himmel überm Wutzrock
Abwechslungsreich ist es ja immer, das Wutzrock. Musikalisch und meteorologisch geht auch alles an einem Tag, Liedermacher und Sonnenschein, Rock und Regen, Punk und Nebel, alles was das Herz begehrt. Außer Regen vielleicht, denn der nervt meistens gerade dann, wenn man sich nach einer halben Stunde Sonnenbad entschließt, dem ein oder anderen Künstler zu lauschen. Kaum ist man auf dem Gelände, zack, Wasser von oben.
Ohne diese höchst überflüssigen Erfrischungen hätte ich Strom & Wasser vielleicht etwas länger gelauscht, deren Musik + Texte ich schon vor Jahren auf der Altonale recht ansprechend fand. Dadurch kommt der Bewegungsapparat aber gut in Schwung heute, kaum sitzt man eine halbe Stunde im Luxuswohnmobil scheint die Sonne und man muss wieder los, nächste Band gucken.
Vor der Seebühne fällt mir überraschend meine völlig begeisterte Nachbarin nebst Tochter in den Arm, es ist ihr erstes Festival und sie ist völlig begeistert. Alles toll hier, ganz besonders die vielen Spezialitäten in den Fressbuden, man weiß gar nicht was man zuerst, aber die Falafel im Brot wären ganz toll und überhaupt wär das ein ganz großartiger Tipp von mir gewesen. 41 Jahre Wutzrock und man muss die Leute immer noch mit der Nase drauf stossen, also: selbst wenn Euch die Musik nicht unbedingt zusagt, das Essen ist ganz toll und es gibt jetzt Dithmarscher vom Fass statt Astra!
Bei der zweiten sonnigen Platzrunde spielt Ilgen-Nur auf der Elbbühne und leider ist das kein von mir erhoffter türkischer Anti-Erdolf-Polit-Hiphop, sondern Indiedreampop mit Slackerattitüde oder so. Mit elektrischer Gitarre zwar und eigentlich klingt das auch gar nicht schlecht alles, aber auf Dauer etwas zu eintönig für meinen Geschmack.
Meine (wie immer entzückende) Begleitung findet das "Geleier" ebenfalls nicht sonderlich spannend und eigentlich sind wir sowieso auf dem Weg zur Seebühne um mit Shirley Holmes eine Dosis Berliner Punk zu tanken. Die beiden Mädels (+Schlagzeuger) waren vor zwei Jahren ein Höhepunkt auf dem Immecke, hätten eigentlich gut als Anheizer von Slime spielen können und haben doch lieber die kleine Bühne vorgezogen.
Möglicherweise war das auch die bessere Entscheidung heute, denn den Sound kriegen sie nicht gebacken. Da Gitarren bekanntlich niemals zu laut sein können sind es wohl die Stimmen, die etwas mehr Dampf vertragen könnten. Den bekomme ich dafür reichlich am Bühnenrand, der Knopf für die Nebelmaschine muss auf irgend jemanden (wahrscheinlich auf den, der für die Mikros verantwortlich ist) eine ungeheure Faszination ausüben. Für Asthmatiker wär das hier nix und dann ist auch noch laufend alles blau, die Farbe geht gar nicht.
Da eine soundtechnische Besserung nicht in Sicht scheint nehme ich etwas mehr Abstand und eine der von meiner Nachbarin empfohlenen veganen Antifa-lafeln im Teigfladen vom Stand gegenüber. Mit ordentlich scharf. Sehr sehr geil. Vegan, antifaschistisch und so lecker, dass man glatt zwei davon essen könnte. Die zweite auf dem Weg zur Elbbühne.
Dort macht gerade die Vorgruppe von Slime ihren Soundcheck und Danube's Banks aus Hamburg stehen fest auf meiner Liste, weil Gypsy Swing, Klezmer und Balkanbeats. Muss. Kann nur gut sein, mit Platz in der ersten Reihe ganz bestimmt.
Eine halbe Stunde später wäre der nicht mehr drin gewesen, wie ein Blick über die Schulter zeigt. Es ist pickepacke voll, während Danube's Banks ihren Gypsy swingen, doch so wirklich abgehen will dabei scheinbar keiner. Die Band ist trotzdem begeistert, weil sie sonst halt vor 80 Leuten im Cotton Club spielen und der Beifall von mehreren tausend Menschen wahrscheinlich besser rüberkommt, auch wenn er verhalten ist.
Einerseits natürlich toll, andererseits eine ziemlich heikle Aufgabe ausgerechnet vor Slime auftreten zu müssen, was sich Shirley Holmes vielleicht ebenfalls gedacht haben. Dafür ist das leider auch alles etwas zu brav was die Banks hier vortragen, kein Kaliber wie die 17 Hippies oder Fanfare Ciocarlia, nichts was die Meute zum Hüpfen animiert. Nach einer knappen Stunde reicht mir das, auch für den Tag. Slime habe ich schon zu oft gesehen als dass die Pflichtprogramm wären und überhaupt...
..ist das ein seltsam schwermütiges Gefühl in diesem Jahr, weil zwei wichtige Menschen dabei fehlen und einer davon für immer. Auch daran wird mich dieses Festival ewig erinnern.
Nächstes Jahr wieder, hilft ja nix.
Fotos dazu: Himmel über Wutzrock - Punk '82 - Eichbaumsee - Doofe Elbe - Strom & Wasser - Heiter bis sonnig - Ilgen-Nur - Zweierlei Basilikum - Shirley Holmes - Seechiller - Fressbuden - Danube's Banks / Nikon D7200
Musik dazu: Archive - Live at the Zenith / Controlling Crowds
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AntwortenLöschenDie Dame auf Bild 14 u. 15 sieht irgendwie so gar nicht nach Shirley Manson aus.
LöschenHat die denn bei Garbage gekündigt? ;-p
Wiewowas? Sollte ich mich vertippt haben? Und hieß der Manson nicht eigentlich Charles oder Marilyn?
LöschenMan wird es nie erfahren.
Du hättest dich öfter einnebeln lassen sollen, das Nebelfoto ist das beste aus der Serie. Von den Konzertfotos imho.
AntwortenLöschenGruß, N.
Ja aber das müffelt unangenehm und meistens sah man nur blauen Nebel, auch auf den Fotos.
Löschenich habe keine ahnung was eine slackerattitüde ist, aber da du meine mucke auch immer als geleier bezeichnest wäre dieses mal vielleicht sogar was für mich dabei gewesen *fg*
AntwortenLöschenindiedreampop hört sich jedenfalls interessanter an als punk und balkangejodel. der knyphausen hätte mich auch noch gereizt aber dann hätten wir früher abhauen müssen aus st.peter und bei uns wars wetter halt gut :).
Guckst Du Ilgen-Nur bei youtube, das eine Stück dürfte Dir sogar gefallen.
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