Donnerstag, 1. Januar 2015
Ausfahrt zu den Bekloppten
Hat man schon mal liebe Gäste in der Stadt, möchte man ihnen natürlich auch etwas bieten. Für Silvester wäre mir da ganz sicher nichts eingefallen, denn normalerweise schließe ich mich zu Silvester ein. Die letzte Gelegenheit sich von der gnadenlosen Weihnachtsfeierei zu erholen, bevor man das neue Jahr angeht. Keine Party, kein Geböller und vielleicht sogar kein Alkohol, lange schlafen, was leckeres futtern und tierisch laut Filme gucken, weil's heute eh keinen interessiert.
Aus diesem Vorhaben wird diesmal nix, denn Käpt'n Stefan macht einen Silvesterausflug an die Landungsbrücken. Zu den ganzen Bekloppten, die sich dort stundenlang in engstem Gedränge ihr sauer verdientes Geld in Form von Pyrotechnik um die Ohren ballern. Ein Erlebnis, auf das man an Land wirklich verzichten kann, die Erfahrung habe ich vor Jahren schon machen müssen, aber von der Wasserseite? In angemessenem Abstand zu den ganzen Irren? Kann man mal machen.
Die Aussicht auf dieses Erlebnis zieht nicht nur den exzessiven Pappenheimer in die Stadt, auch der Herr Ärmel erfreut mich mit seinem Besuch. Knappe neunzig Minuten gondeln wir mit dem Nahverkehr durch Hamburg, um am Kanalplatz die Omka zu entern. Nach der Begrüßungsansprache folgt die übliche Runde durch den Harburger Binnenhafen, wo sich schon wieder viel verändert haben soll, was man bei der Dunkelheit allerdings schlecht sehen kann. Herrn Ärmels (und mein) Lieblingshausboot finden wir immerhin an anderer Stelle, die Maria Rosa ist weg, verkauft für 100.000 statt der ursprünglich angesagten halben Million und Gunther Gabriels Hausboot hat schon wieder einen neuen Liegeplatz. Ein sehr unsteter Mensch.
Wir legen an, um uns an der köstlichen Bordsuppe zu laben. Heute ohne Fleischeinlage, es sind einige Veganer an Bord auf die Rücksicht genommen wird. Mit veganischem Futter konnte ich schon gute Erfahrungen machen in letzter Zeit, auch heute ist das ganz ausgezeichnet, irgendwas mit Möhren, Kürbis, Kartoffeln und Ingwer. Sogar veganischen Kuchen gibt es zum Dessert, der um Klassen besser ist als die mit Erdbeerblut und Kirschfleisch gefüllten Berliner der Carnivoren. Ich werd noch zum Veganer wenn das so weitergeht..
Zwei kalte Astra und zwei Sportzigaretten später sind wir durch die Harburger Hafenschleuse, schippern unter Kattwyk- und Köhlbrandbrücke hindurch und nehmen Kurs Landungsbrücken. Wir kommen gerade noch rechtzeitig um den Beginn des Spektakels zu erleben, der absolute Wahnsinn was hier abgeht. Fast eine ganze Stunde wird ohne Unterlass geböllert, könnte man das halbwegs vernünftig koordinieren, es wäre ein grandioses Feuerwerk. Der Einsatz stimmt jedenfalls, manchmal auch mit nicht ganz legalen Mitteln. Ein paar völlig Wahnsinnige zündeln an den Brücke mit Pyrotechnik für Fortgeschrittene, die Lichtmenge ist bei der Fotografie allerdings kurzfristig hilfreich. Bei den Menschenmassen natürlich höchst unverantwortlich, so etwas gehört ins Stadion und nicht auf die Straße.
Unkontrolliert abgebranntes Feuerwerk von einem schwankenden Boot aus zu fotografieren, statt einfach den Anblick zu genießen, ist eine selten dämliche Beschäftigung. Durch den Sucher der Kamera betrachtet ist das nicht annähernd so beeindruckend, zumal sich die dollsten Explosionen oft genau da abspielen wo man gerade nicht hinsieht. Kaum hat man sich auf die Hafenstraße konzentriert suchen die ihre Feuerzeuge, dafür kracht es dann zwei Ecken weiter vor den Hafenhotels, man eiert ständig suchend mit dem Geraffel herum und kommt oft genug den einen Moment zu spät.
Irgendwann ist genug mit der Knipserei, unter mehreren hundert Aufnahmen werden sich sicher drei bis vier finden lassen, die man im Blog veröffentlichen kann. Für qualitativ wirklich hochwertige Fotos müsste man hier schon ein Stativ von Berlebach haben, mit automatischer Wellengangkompensationsdämpfung, wenn es das gibt. Die Kälte ist mittlerweile durch die Jacke gekrochen, mein Rücken fühlt sich an wie eine Eisfläche. Ich verzieh mich in die Kajüte und sehe Herrn Ärmel zu, der kurzfristig das Ruder übernehmen darf und gerade angestrengt versucht die richtigen Positionslichter unter all dem Lichtergewirr zu finden. Gott sei Dank ist der Fluss hier breit genug auch für Frankfurter Binnenschiffer, und alles weit genug entfernt als das man versehentlich etwas rammen und versenken könnte.
Arschkalte, aber sehr schöne Silvesterbeschäftigung. Wie immer ein unvergesslicher Omka-Tag mit vielen netten Menschen, aber nächstes Jahr zu Silvester schließe ich mich wahrscheinlich wieder ein. Noch einmal muss ich mir die Bekloppten nicht ansehen.
Allen nicht bekloppten ein frohes neues Jahr.
Fotos: Omka - Oles Dreckschleuder - Faultürme Klärwerk Köhlbrandhöft - Ausflugsverkehr vor Dock 10 - Pyromanie
Musik: Element of Crime - Mittelpunkt der Welt / Immer da wo du bist bin ich nie
Werter Herr Zaphod, ich zähle mich kurzerhand mal zu den Nichtbekloppten, zumindest in Krachknallangelegenheiten und erwidere Ihre Neujahrsgrüße. Auch Ihnen und Ihren Lieben ein gutes Jahr. Und danke für den Einblick, der bonfortionös den des geschätzten Exzessenden ergänzt. Herzlichst, Frau Knobloch aus Lipperlandien.
AntwortenLöschenWerte Frau Knobloch, selbstverständlich hätte ich Sie jederzeit zu den Nichtbekloppten gezählt, nicht nur in Krachknallangelegenheiten. Frohes neues Jahr ;)
LöschenDank für den genauen Erlebnisbericht und die tollen Foddos. Ich mach mich dann auch mal an einen Beitrag...
AntwortenLöschenAn dieser Stelle nochmals meinen ganz herzlichen Dank für die feine Gastfreundschaft und tiefschlafangenehmes Nachtasühl.
Freundliche Reisende werden hier immer ein Nachtasühl finden, umso schöner wenn es auch noch tiefschlafangenehm ist ;).
LöschenNächstes Mal gibt es auch Konfitüre zum Frühstück, mein Hauslieferant für derlei Spezialitäten hatte leider an Silvester geschlossen und ordinäres Kaufhausgelee wollte ich Dir nicht anbieten. *g*
Ich danke für das Kompliment und die Kaufhausgeleebewahrung...
LöschenBin echt froh, doch noch gekommen zu sein. War ne schöne Tour, trotz Erfrierungen, Verbrennungen ersten Grades und "Rücken" am Tag danach. Nochmals Dank für Speis und Trank und Beherbergung.
AntwortenLöschenGruß aus dem windstillen Regenwald !
Zu den Verbrennungen ersten Grades verweise ich auf den alljährlichen Blogeintrag vom Herrn Wagner, obwohl Kinderfeuerwerk darin nicht explizit erwähnt wird *fg*
LöschenDen Erfrierungen könnte man mit entsprechender Schutzkleidung begegnen, was möglicherweise "Rücken" verhindern würde. Zugegeben, ich habe mich selber nicht dran gehalten.
Vielleicht sollten wir nächstes Mal einfach Fernsehen gucken *gg*
Na dafür, dass Du ohne Wellengangkompensator und immer das falsche Ziel anvisiert hast, sind Dir ganz hervorragende Bilder gelungen. Aber 1 Stunde Böllerei? MannMannMann
AntwortenLöschenNaja so ganz unzufrieden bin ich jetzt nicht wenn man die Bedingungen betrachtet, aber dass nicht ein Foto dabei war mit wenigstens 7 oder 8 gleichzeitigen Explosionen über die gesamte Breite fand ich, angesichts der Unmengen an Explosivstoffen, doch etwas enttäuschend. Aber dafür müsste man halt länger belichten können.
Löschendir auch ein frohes neues jahr. tolle bilder von den landungsbrücken, aber ich bin doch ganz froh über die ruhe die wir in dänemark hatten. keine einzige rakete, nur ein paar vereinzelte böller und das waren garantiert auch deutsche touristen die die gezündet haben. machen wir nächstes jahr wieder, aber an der nordsee.
AntwortenLöschenGeh mal in die Touristenorte, da wird zu Silvester auch reichlich geböllert. Eure Hütte ist ja auch völlig abgelegen, in Blåvand hat es damals in jeder Ecke geknallt.
Löschenhttps://www.youtube.com/watch?v=OHtoEEf2O4E&feature=youtu.be
AntwortenLöschenbeste Grüße
★ Monsieur Bertram ★
Danke für den Link und beste Grüße zurück. Nächstes mal vielleicht die Gitarre mitnehmen? ;)
LöschenGodt Nytar *g*
AntwortenLöschenGruß, N. (nächsten Sylvester wieder in Dänemark, war sehr angenehm ohne Feuerwerk)
Sylvester hieß mein Kater, der Erfinder der China-Böller hingegen war Papst Silvester, weshalb sich das Jahresendgeballer immer noch mit i schreibt ;)
LöschenWahrscheinlich sogar in Dänemark.