Montag, 15. September 2014
Mit Gábor wär das nicht passiert
Vorspiel
Um 10 Uhr aufstehen ist kein Problem, an diese Zeit habe ich mich schon in Portugal gewöhnt und im Regenwald auf der Zaubercouch kann man eh nicht länger schlafen. Trotzdem gruselt es mich schon bei dem Gedanken an die mindestens vier Stunden die ich stehen muss, mein Knie zickt schon seit Wochen rum und durch solche Aktionen wird es garantiert nicht besser. Dafür freue ich mich endlich mal wieder auf ein Spiel, gegen die Münchner haben wir in den letzten Jahren immer recht spektakulär gewonnen und jetzt mit Meggi auf der Bank ist das der richtige Aufbaugegner. Die liegen uns.
Frühstück wird ins Stadion verlegt, zweimal Bratwurst, einmal Bier, Wellenbrecher suchen, setzen, essen. Nach der Wurst ne Kippe, dann ist stehen angesagt. Es wird voll, aber für eine halbe Stunde kann ich den Wellenbrecher noch als Lehne benutzen. Das ist glücklicherweise meist der Zeitpunkt an dem das Rahmenprogramm von den Schmerzen im Knie ablenkt, komischerweise macht ihnen mitwippen zu anständiger Mucke weniger zu schaffen als bloßes rumstehen.
Eine halbe Stunde vor Anpfiff wird es spannend, begleitet von "Hooligans Hooligans" Rufen der Gegengerade versuchen ein paar vermummte Gestalten der Kategorie "Gewalttäter Sport" unseren Trainer mit Gegenständen zu bewerfen. Zuerst kann er noch darüber lachen, aber als ihn eine geballte Ladung aus Hunderten von Papierschnipseln nur knapp verfehlt schlägt er zurück.
Rainer kündigt eine Premiere an, die 1860er haben eine neue Hymne. Da Gästehymnen bei uns immer gespielt werden müssen wir die ertragen. An deren alte Hymne kann ich mich nicht mehr erinnern und die neue werde ich ebenfalls schnell verdrängen, wieso wehren sich die Fans anderer Vereine eigentlich nicht gegen solche Machwerke? Oder haben die woanders alle einen grauenhaften Musikgeschmack?
Die Münchner weinen sich auf einer Tapete über ihren Vorsänger aus, der scheinbar beim zündeln erwischt wurde und nun Stadionverbot hat. Stadionverbote finde ich zwar auch dämlich, aber warum "wir" uns blamiert haben, nur weil der zu dusselig war und sich erwischen ließ, das verstehe ich nicht ganz. Wahrscheinlich so ein Ultrading mit Ehre und ähnlichem Blödsinn. Wesentlich bewegender ist die Choreo auf der Süd. Sie gilt einem Fan der sich das Leben nahm, Depressionen, wieder einmal. Nicht tausend Freunde können dagegen helfen, wie bitter ist so etwas.
Neucheftrainer Thomas Meggle wird euphorisch begrüßt, die Mannschaftsaufstellung mit reichlich Überraschungen, trotz der vielen Verletzten. Budi und Buchti nur auf der Bank, die IV mit Ziereis und Torre, mit Nöthe, Verhoek und Thy gleich drei Stürmer, holla. Kringe, Daube, Buballa, wer spielt auf der Außenbahn? Auf der Bank ein Name den ich vorher nie gehört habe, Litka. Meggi wird wissen was der kann, ich bin leicht euphorisch. Kann an der Sportzigarette liegen oder am zweiten Bier, der Bierfassmann läuft einem hier andauernd über den Weg.
Dann geht´s endlich los, Herz von Sankt Pauli, Hells Bells und Konfetti satt, davon werde ich morgen noch was haben.
Spiel (1)
Da ist Zug drin, das sieht man gleich, auch wenn München nach ein paar Minuten einmal gefährlich vor unserem Tor auftaucht, die Jungs wollen es wissen. Bevor ich in weitere Euphorie ausbreche werd ich aber eine gute Viertelstunde warten, man kennt das ja mit dem starken Anfang. Außerdem verwirrt mich die Aufstellung doch etwas, spielt Lenny Thy tatsächlich in der Defensive? Ein zweites mal kommt München gefährlich vor das Tor, der Okotie ist stark, der kommt zu leicht in den Strafraum. Wir halten aber dagegen und werden für den Einsatz mit einer Ecke belohnt. Der Keeper, das erste mal seit gefühlten 100 Jahren nicht mehr Gábor Király, bekommt den Ball nicht unter Kontrolle und irgendwer wuselt das Ding ins Netz. 1:0 Woohoo, doch bevor man sich richtig zu Ende freuen kann pfeift der Schiri ab. Kein Tor aus irgendwelchen Gründen, Mist, verdammter.
Kann nur besser werden, der Einsatz stimmt endlich wieder. Kopfball Nöthe aber der Keeper ohne Jogginghose hält auch den. Mit Gábor hätten wir sicher schon die Führung, der hatte immer zuverlässige Patzer im Programm.
Und dann fällt in unserem Strafraum einer um und der Schiri pfeift Elfmeter. Was ich gar nicht fassen kann, weil der noch zwei Meter gelaufen ist bevor er fiel, Zeitlupe bitte. Am Elfer ist Tschauni fast noch mit den Fingern dran, zumindest ist er in der richtigen Ecke, aber das Leder ist drin, 0:1 verdammte Hacke. Lässt uns aber nicht auseinanderbrechen, wir nehmen wieder Fahrt auf und kommen abermals zu Chancen. Das sieht alles sehr viel besser aus als unter Vrabec, auch wenn noch nicht alles klappt, Ziereis gegen Okotie völlig überfordert ist und der Münchner Keeper gegen uns sehr viel besser hält als Gábor in den letzten Spielen. Ganz besonders Görlitz gefällt mir wesentlich besser als bei seinen ersten Auftritten, sehr aktiv heute, legt einen Ball schön ab auf Johnny Verhoek, der zieht ab, 1:1, Woohoo! Endlich. Geht doch.
Wir drücken weiter auf die Führung, München hält mit Fouls dagegen und auch der Schiri fängt an mir auf die Nerven zu gehen. Zwei Minuten vor der Halbzeit Freistoß für uns, Kringe per Kopf, Tor. 2:1. Woohoo und wieder pfeift die Pfeife ab, aus welchen obskuren Gründe auch immer. Mein Nachbar ist kurz vor dem Pöbelkollaps als eine einzige Minute Nachspielzeit angezeigt wird, aber selbst die ist zu lang für uns. Konter München, Okotie wieder, starker Ball auf Stark, 1:2. Halbzeit. Waaaaas für eine Scheiße.
Zwischenspiel
Nur wenige Meter hinter mir sitzt der Dartmeister, Bierservice beantragen muss ich heute aber nicht, ein Bierfassmann ist laufend in meiner Ecke unterwegs und macht den Pfandbecher jederzeit wieder voll, von den Schmerzen im Knie abgesehen ein Service wie im VIP Bereich. Auf dem Rasen wird derweil vom Noch-Präsidenten ein Pokal vergeben, für den Sieger des Fanclubturniers. Mangels Motiven und Motivation tausche ich Kamera gegen Pausensportzigarette, dann geht es auch schon weiter auf dem Rasen. Direkt vor meinen Augen entzünden ein paar Hooligans Pyrotechnik in ganzen Bündeln, unglaublich was hier abgeht, muss ich die Kamera tatsächlich wieder rauskramen.
Spiel (2)
Die Jungs geben nicht auf und drücken weiter aufs Tempo. Das ist nicht immer ganz geschickt, da ist auch ab und zu mal ein Fehlpass dabei oder es wird eine Situation nicht richtig antizipiert (das wollte ich immer schon mal schreiben) aber Einsatz, Wille und Leidenschaft sind deutlich verbessert, wenn das kein Trainerwechselstrohfeuer ist macht das Hoffnung. Im Vergleich zu Sandhausen ist da eine ganz andere Truppe auf dem Platz, nur stimmt das Ergebnis noch nicht. Im Umschaltspiel sind wir zu behäbig, so kann sich die Münchner Abwehr immer wieder bequem zurückziehen und dichtmachen, kommt etwas aufs Tor ist der Münchner Keeper dran (ich beginne Gábor zu vermissen) oder der Schiedsrichter pfeift vorher ab wegen irgendwas.
Der ist sowieso inzwischen ob seiner hirnausgewürfelten Entscheidungen zum Liebling des Publikums geworden. Für kleine Rempler gibt es Karten, echte Sensen nimmt er dagegen nicht einmal wahr. Münchner Schauspieleinlagen nimmt er reihenweise für bare Münze, Abseits ist eine Münzwurfentscheidung, wieso muss ich bei der Leistung dieses Schiri-Teams eigentlich laufend an Münzen denken?
Meggi wechselt langsam durch, für Daube kommt Budimir, Kringe wird nach seinen üblichen (guten) 70 Minuten durch Ratsche ersetzt und am Ende darf auch noch Maurice Litka aus der U19 ran. Solche Entscheidungen können manchmal Geschichte schreiben, vielleicht wird der Jung ja zum Helden des Tages. Ante erfreut kurzzeitig durch eine Kopfballstafette mit sich selber, an drei Gegnern vorbei, bis er gelegt wird. Auf den Rängen wird wieder gesungen wie verrückt, hat gegen Sandhausen ja geholfen, den Ball einfach ins Tor singen.
Hätte klappen können, wäre da nicht diese Pfeife, die entweder gar nichts oder das falsche sieht. Seine Kollegen an der Seite sind ebenbürtig. Klare Ecke für uns, nicht gegeben. Durchmarsch von Litka unsanft gestoppt, nicht gepfiffen. Alles in der Nachspielzeit. Meggi regt sich auf, erklärt der Pfeife kurz warum er sich aufregt und wird zum Dank dafür auf die Tribüne geschickt. Was für eine Grütze, da ist er endlich Cheftrainer und darf wahrscheinlich gleich im nächsten Spiel nicht auf die Bank. Kurz vor Schluss noch einmal Litka auf Budimir, doch der kriegt das Ding nicht unter Kontrolle, dann pfeift die Pfeife ab. Ein Spiel unverdient gewonnen, ein Spiel unverdient verloren, alles gleicht sich irgendwann aus. Nur habe ich trotz dieser Niederlage irgendwie das Gefühl, ab jetzt wird alles besser.
Nachspiel
Die Tresenkurve, Herrn L. und einen weiteren Bierfassmann treffe ich vor den Fanräumen, man ist nicht gut gelaunt hier und kann meine Euphorie in der Niederlage nicht ganz verstehen, die zum Teil dem engagierten Auftritt der Boys in Brown und zum Teil der ausgezeichneten Bierversorgung am heutigen Tag zu verdanken ist. Außerdem MUSS man jetzt optimistisch sein nach dem ganzen Zirkus, wenn man in dieser Lage auch noch pessimistisch wäre könnt man´s ja nicht aushalten. Außerdem haben wir nur verloren, weil die den alten Jogginghosenträger nach Fulham abgeschoben haben, mit Gábor wär das nicht passiert. Nach gestoppten 5 Stunden und 15 Minuten auf den gebrechlichen Beinen humple ich neben Herrn L. zum Bahnhof wie ein lahmer Hund, ich brauche unbedingt einen Sitzplatz. Spätestens in der nächsten Saison, aber in dieser wär irgendwie noch besser.
Nachtrag
Auf besonderen Wunsch eines einzelnen Herrn möchte ich darauf hinweisen dass ich, trotz meiner (nicht unverdienten) Lobhudelei über den genialen Biertresen in Block C beim letzten Heimspiel, Koschis Original Zaunbierhalter (für die kurzfristige Aufbewahrung von immerhin drei Bechern Astra) für eine der besten Erfindungen im Stadionbieraufbewahrungsbereich halte. Technisch ist er dem Tresen deutlich überlegen, aber halt nur am Zaun. An dem würde ich mit den Jungs auch gerne öfter stehen, wenn man in der Meckerecke vernünftig Fußball gucken könnte. Aber jetzt, wo die gerade wieder anfangen Fußball zu spielen...nee, geht nich.
Auf den Ohren die CD des Jahres mit dem Song des Jahres, das dazugehörige Video des Jahres wurde dankenswerterweise vor dem Spiel im Stadion gezeigt.
Marcus Wiebusch - Konfetti - Der Tag wird kommen
Das ist Zweckoptimismus :p denn wenn das mit Meggi nicht klappt haben wir auch unseren Nachwuchstrainer verbrannt. Ich bin mir nämlich nicht sicher das Meggis Zeit schon gekommen ist, noch zwei bis drei Jahre hätte ich ihn bei der U23 gelassen, Erfahrungen sammeln. Alternativen gab es leider nicht mehr, hätten sie Vrabec nach der verkorksten Rückrunde gefeuert sähe das anders aus.
AntwortenLöschenDie Alternative wäre wohl Büskens gewesen und zwei bis drei weitere Jahre U23 hätte Meggi eh nicht gemacht, der hätte seine Chance vielleicht woanders gesucht. Erfahrungen kann er jetzt sammeln, solange wir nicht absteigen ist alles gut, bei mir hat er reichlich Kredit.
Löschennu ja, die Diva war gegen die Schwabenbayern auch nicht ruhmreicher...
AntwortenLöschenDie Diva steckt aber im gesicherten Mittelfeld, wenn man nach dem dritten Spieltag überhaupt von so etwas reden kann.
LöschenIch rede nicht vom Ende der Saison - die Diva bewegte sich immer wieder mal seltsam strauchelnd über den Ligalaufsteg *g*
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