Sonntag, 15. September 2013
Schlafmützen
Vorspiel
Spät ins Bett und schlecht schlafen sind üble Voraussetzungen für ein Samstagsspiel, als ich zwei Stunden vorher aus dem Haus wanke bin ich müde wie Hulle. Die Rettung naht in Gestalt meiner Nachbarin, die ebenfalls auf den Bus wartet und für Unterhaltung sorgt. Beinahe hätte ich sie nicht erkannt, statt St.Pauli Cap trägt sie Hut und ist auch sonst sehr elegant unterwegs. Sie will auch nicht ins Stadion sondern zur SPD Wahlkampfveranstaltung in Wandsbek. Da spricht Aydan Özoğuz, und das ist eine richtig nette Politikern. Das mag sein, doch leider ist sie in einer Partei ich seit Jahrzehnten nicht mehr wähle, da kann die Aydan so nett sein wie sie will. Mit Angie könnte man bestimmt auch prima Fussi gucken, würde man nicht immer den Drang verspüren sie die Tribüne runter zu schubsen.
Bis Gartenstadt unterhält mich die Politik, bis Barmbek ein anderer Fan, mit dem ich über das kommende Spiel quatsche. Danach überfällt mich die große Dösigkeit und ich sinniere so vor mich hin, bis es auf einmal auffallend ruhig wird im Abteil. Ach Mist, St.Pauli. Leider ist die Tür der U-Bahn schneller als ich, also fahr ich bis Feldstraße weiter. Der nächste Zug zurück in 4 Minuten lohnt nicht, und weiter weg ist die Gegengerade von hier aus auch nicht. Jedenfalls wenn man gleich richtig herum läuft und nicht vor dem Gästeblock blöde umkehren muss. Ungewollter Frühsport ist der Preis für so viel Schlafmützigkeit.
Vor dem Block monströse Schlangen, doch wider Erwarten lösen die sich in Nullkommanix auf, ich kann noch in aller Ruhe im Stehplatzbereich ein paar Fotos der Wandgemälde machen bevor ich nach oben gehe. Ein Bier später treffe ich den Dartmeister, der nach dem Fußball noch nach Kiel muss zu einem Auswärtsspiel der Dartabteilung. Die Pfeilewerfer nehmen das richtig ernst. Auf dem Sitz von Herrn L. sitzt Gustl, Herr L. muss arbeiten. An einem Samstag mit Heimspiel, den Stundenlohn könnten die mir gar nicht bezahlen.
Die Südkurve glänzt heute durch eine richtig schicke Choreo, die sogar meine Nachbarn sichtlich begeistert. Und so ganz ohne Politik und Bullenschweine diesmal. Über die Höhe des Ergebnisses wird spekuliert, ich wäre mit einer Wiederholung des letzten zufrieden, mein Nebenmann tippt 4:3 für die Guten. Ich glaub ich spinne, ein Herzinfarktspiel? Muss ich nicht haben, die Gegengerade ist eh nicht fit um diese Zeit, war schon mal lauter hier.
Spiel (1)
Anpfiff und los, das Aux Armes ist gerade verklungen, da spielt Buchti einen Traumpass auf Kevin Schindler, der für Nehrig zum Einsatz kommt heute. Gute Maßnahme, denn Kevin haut das Ding in die Mitte zu Verhoek und es steht 1:0. Woohoo, nach 3 Minuten, das sollte die notwendige Sicherheit geben. Tut es jedoch leider nicht, es stachelt nur die Frankfurter an, die nur zwei Minuten später ausgleichen könnten, doch Tschauner hat seinen Fuß dazwischen. Kurz darauf ist es wieder Tschauner der rettet, Frankfurt kommt laufend über außen durch, die sind immer einen Tick schneller.
Wenn bei uns was geht, dann der eine oder andere Versuch aus der Distanz, denn wir kommen nicht ran an den Strafraum, weil der letzte Pass nicht ankommt. Der geht entweder zum Gegner oder planlos in den ganz freien Raum, da, wo nicht mal ein Gegner steht. Furchtbar anzusehen, weil man immer mit einem Gegentreffer rechnen muss, so wie die da unten agieren. Die betteln geradezu darum bei den ganzen Konzentrations- und Stellungsfehlern. Schindler ist reichlich überfordert in der Defensive und auch auf der anderen Seite kommt zu viel durch. Die Innenverteidigung hat jedenfalls gut zu tun und ohne den gut aufgelegten Tschauner hätten die Frankfurter auch schon drei- oder viermal treffen müssen. Entweder sind die vorne zu blind oder wir haben einfach auch mal Glück, das ist von hier aus schlecht zu erkennen.
Bis zum Pausenpfiff bleibt es jedenfalls beim 1:0, bei einem deutlichen Chancenplus für den FSV, das muss sich in der zweiten Hälfte ändern wenn wir gegen die was holen wollen.
Zwischenspiel
Gustl geht dankenswerterweise Bier holen, zusammen mit der halben Nachbarschaft. Seit ich einen empfindlichen Nachbarn habe rauche ich meine Sportzigarette in der Halbzeit, auf Sitzplätzen muss man Kompromisse eingehen, ist mir am Millerntor auch noch nie passiert so etwas. Dadurch verpasse ich diesmal nichts in der Pause, von der schönen bunten Abschiedstapete für Bene hätte ich als Bierholer nichts gesehen.
Spiel (2)
Es ändert sich nichts, die sind weiter im Schlafmützenmodus, das kann nicht lange gut gehen. Kaum hab ich das gedacht trifft Lenny Thy zum 2:0, woohooo, alles liegt sich in der Armen, aber als ich auch mit meinem Hintermann abklatschen will hat der die Hände wieder in den Taschen. Abseits. So ein sch..
Die Frankfurter schockt das nicht weiter, bei unserem desaströsen Abwehrverhalten geht immer was, nur treffen sie noch nicht dahin wo es weh tut.
Das machen tatsächlich wir nach zehn Minuten, womit ich überhaupt nicht mehr gerechnet habe, aber Ratsche zieht aus der Distanz ab und es steht 2:0. Woohoo, was für eine Erleichterung, ein klein wenig beruhigender der Spielstand. "Verdient ham wir das nich" sagt Gustl nach dem Jubel und ich müsste ihm eigentlich beipflichten. "Scheißegal" sag ich, "schön is trotzdem. Aber Vicky Leandros fällt heute aus so wie die spielen."
Fünf Minuten währt die Freude, dann klingelt es auch bei uns endlich. Der Anschlusstreffer ist ein kurioses Scheißeigentor, das kann Tschauner diesmal nicht verhindern, weil ein Frankfurter auf ihm liegt. Weil Tschauni das erbost beschwert er sich beim Schiri, was außer dem Tor noch eine gelbe Karte zur Folge hat.
Möhlmann wechselt danach gleich drei Leute aus, das soll wohl bedingungslose Offensive heißen in der letzten halben Stunde. Geht nicht auf der Plan, denn der Druck lässt eher etwas nach, wir kommen besser ins Spiel. Bei uns gehen Schindler und Thy, Schnecke und Maier kommen. Leider gibt es keinen Freistoß, den er mal eben reinmachen könnte, dafür setzt sich Schnecke gut durch nach vorne, aber Fin verdaddelt das Ding. Wie so oft kommt der letzte Pass nicht an, es ist zum auswachsen. Was haben die in den letzten zwei Wochen trainiert? Völlig fassungslos bin ich, als Boller während eines Frankfurter Angriffs geistesabwesend im Strafraum spazieren geht, als wäre er gerade auf einem anderen Planeten. Was für eine Schlafmütze, ich würde die drei Punkte gerne behalte bitte, danke.
Kurz vor Schluss fliegt dann noch ein Frankfurter mit gelb-rot vom Platz, wir überstehen die drei Minuten Nachspielzeit und gewinnen das Ding sehr glücklich mit 2:1. Muss man einfach mal glücklich sein und so hinnehmen, wir waren auch schon die bessere Mannschaft und haben verloren, so gleicht sich alles wieder aus.
Nachspiel
Vicky Leandros bleibt tatsächlich im Plattenschrank, danke für so viel Fingerspitzengefühl. Gustl lässt sich noch zu einem Bier überreden, vor dem Fanladen treffen wir die Tresenkurve und sabbeln uns fest. Dieses mal bin ich derjenige der zum Aufbruch drängelt, nach der kurzen Nacht und dem äußerst frühen Frühschoppen bin ich angemessen breit und würde mich gerne ne Stunde aufs Ohr packen. Auf dem Bahnsteig fällt Gustl ein dass er ein Ticket braucht und rennt wieder nach oben, den Vorteil von Tagestickets hat er noch nicht erkannt. Dadurch verpasse ich eine Bahn, jemanden einfach stehen lassen ist nicht meine Art. Die nächste kommt aber ratzfatz, ich wundere mich nur wieso Gustl nicht mit einsteigt, denn der ist auf einmal verschwunden. Das Dunkel lichtet sich, als ich merke dass der Zug in die falsche Richtung fährt, das heißt einmal mehr umsteigen. Lauter Schlafmützen heute, und ich bin die größte davon.
Dafür hole ich mir in Barmbek Kohle von der Spasskasse und was zu beißen, endlich Frühstück, mitten im hsv-Gebiet. Beim Bäcker quatscht mich prompt eine ältere Barmbeker Dame an und möchte das Ergebnis wissen, was sie richtiggehend fröhlich stimmt. "Juhuu" trillert sie "dann gewinnen wir heute Abend auch in Dortmund." "Ganz bestimmt" erwidere ich lahm, und versuche ein freundliches Lächeln. Dieser zwingend logischen Schlussfolgerung kann man sich einfach nicht entziehen.
Mit ihren Freundinnen führt sie am Nebentisch lebhafte Fachgespräche, ich verstehe nur Wortfetzen, Stellingen, Cottbus, Werder, St. Pauli und Hansa Rostock, und bin nicht sicher ob die Damen wissen in welcher Liga sie gerade sind.
Die nächsten Spiele sind wieder unter Flutlicht, hoffentlich sind dann alle etwas wacher.
Dudelsackwachmacher: The Real McKenzies - Off The Leash/ Westwinds
Hehe, da lag die Dame ja fast richtig. Die Jungs von der Müllhalde haben auch nur ganz knapp verloren :P
AntwortenLöschenGratz an Pauli zu dem Sieg, auch wenn er glücklich gewesen sein mag, am Ende zählen die 3 Punkte (wo war das Phrasenschwein?)
Du solltest beim nächsten Spiel mal einen doppelten Espresso vorher trinken, sonst landest Du noch im falschen Stadion *g*
Um hier im falschen Stadion zu landen müsste man mich lähmen und dort hinschaffen *g*
LöschenGlücklicher Sieg, von mir aus sogar sehr glücklich, aber ungemein spannend. Halstenberg und Schindler nahezu Totlausfälle, sieht man von der Torvorlage und dem verhinderten Tor einmal ab, aber Torre/Gonther/Tschauni wie ein Fels in der Brandung, Buchtmann gut und auch Boll habe ich nicht so schlecht gesehen wie du, der hat einiges weggeräumt. Nur offensiv ging leider nicht viel.
AntwortenLöschenIch habe Boller nicht durchweg schlecht gesehen, aber das war so eine Szene die mir lange nicht aus dem Kopf ging, wie er da unbeteiligt vom Geschehen durch den 16er spazierte als hätte grad jemand gesagt das Training ist zu Ende.
LöschenDarf ich fragen, was du mit "...die sogar meine Nachbarn sichtlich begeistert. Und so ganz ohne Politik und Bullenschweine diesmal." meinst? Hat Politik, hat "Bullenschweine!" in einer Choreo etwa nichts zu suchen?
AntwortenLöschenMeiner Meinung nach schon, aber meine Meinung ist ja nicht maßgeblich. Und wenn ich mich unter meinen direkten Nachbarn so umsehe sind die da eher konservativ eingestellt, schließe ich jedenfalls aus den Kommentaren die ich im Laufe der Jahre so mitkriege.
LöschenJedenfalls zeigten sich einige Leute sehr begeistert von der Choreo, bei politischen Choreos halten sie zumindest die Klappe.
Ach Du liebe Güte! Das ich das hier lese, beruhigt mich, beweist es doch, dass Du am Ende doch irgendwie in die richtige Richtung und richtig ausgestiegen. Meine Fresse noch mal. Nicht dass Du irgendwann mal verloren gehst!
AntwortenLöschenIch nutze den ÖPNV einfach zu selten. Die einzige Strecke die ich regelmäßig fahre ist die zum Stadion und zurück, das kann man dann irgendwann im Schlaf. Nicht *g*.
LöschenWa muss ich da auf Bild 12 lesen ? ^^
AntwortenLöschen"Flora bleibt"
Isses mal wieder soweit ?
Isses doch immer mal wieder. Angeblich soll die jemand gekauft haben, der bestreitet das jedoch. Vorsorglich gibt es am 24.9. schon mal eine Autonome Modenschau, nicht in der Schanze, sondern im feinen Pöseldorf, wo der angebliche Neubesitzer oder Interessent wohnt.
LöschenDie Anwohner zeigten sich schon begeistert von der Idee *g*
Flora bleibt!
Aha, es gibt also in der Süd einen Einlauf wenn man nicht rechtzeitig mit dem Bier zurück ist? Von wem?
AntwortenLöschenUnd dann auch noch verschütten, also nee diese Jugend von heute. Haben wir früher auf der Gegengerade nieee gemacht sowas.