Sonntag, 25. August 2013
Der Lack ist ab
Eine der beliebtesten Freizeitbeschäftigungen in Hamburg ist das Schiffegucken, man greift sich eine Pulle Bier, setzt sich irgendwo an den Elbstrand und träumt den Schiffen hinterher. Dafür reichen eigentlich Containerfrachter oder Kümos, aber mittlerweile laufen hier beinahe täglich Kreuzfahrer ein und aus. Wobei den Grinsemäulern der Aida-Flotte längst nicht so viel Aufmerksamkeit zuteil wird wie der Queen, obwohl es nur Mary 2 ist.
Ob das an dem ewige Hype der Hamburger Boulevardpresse liegt, die detailliert über jede Dockvisite schreibt, als käme eine leibhaftige Königin zum Schönheitschirurgen, oder nur am morbiden Charme, den schwarze Kreuzfahrer seit dem Untergang der Titanic irgendwie verströmen, das wissen die Götter.
Bei einer der ersten Besuche bin ich diesem Hype noch erlegen, habe mich für ein paar Fotos aufgerafft und den Versuch dann abgebrochen, weil gefühlte fünfzig Prozent der Bevölkerung die gleiche Idee hatte. So überzeugend finde ich die Rußschleudern nun auch nicht.
Aber wie es der Zufall will lese ich am Samstag in der Zeitung, der Kahn ist wieder da und läuft heute aus. Da ich den ganzen Freitag schon in Nienstedten herumgelaufen bin für meine Stadtteilserie, und mir für den nächsten Tag die Reste inklusive Hirschpark vorgenommen habe, könnte man das für ein Motiv ausnutzen. Mir schwebt auch ganz genau die Stelle vor, erhöhter Blickpunkt über dem Blankeneser Jollenhafen, mit Bank, falls es länger dauert. Der schöne Ausblick von dort wird etwas getrübt, durch die Hallen von Airbus auf der anderen Elbseite, ein wirklich großes Schiff könnte dieses Manko zumindest auf dem Foto beheben.
Mit dem Stadtteil werde ich heute fertig, für den Hirschpark reichen ein paar schöne Bäume und grüne Tümpel, dann setze ich mich auf die Bank zu einem älteren Ehepaar. Das Licht ist prima, in einer halben Stunde sollte die Kiste hier vorbeikommen, das passt.
In der halben Stunde gibt es ein paar Frachter und einen Containerriesen, ideal für ein paar Testaufnahmen. Inzwischen sitzt links neben mir ein weiteres Paar, das extra für den schwarzen Riesen gekommen ist. Es tut sich was, es tutet. Die Scharhörn tuckert vorbei, gefolgt von einem der größeren Hafenrundfahrer, dann tutet es lauter. Es ist aber nur eine der Aidas, trotzdem gut für weitere Testaufnahmen, das Licht hat sich ohnehin leicht verändert.
Eine weitere halbe Stunde und etliche Frachter später ist die Bank voll, obwohl das ältere Ehepaar uns verlassen hat. Zwei weitere Hobbyfotografen müssen stehen, rücksichtsvoll verziehen sie sich aus meiner Schusslinie und bauen am Rand Stative auf. Der Grund ist mir nicht ganz klar, denn zu lange Belichtungszeiten verbieten sich eigentlich bei bewegten Motiven, aber was weiß ich schon. Vielleicht werden es Nachtaufnahmen, der Kahn lässt sich nicht blicken, das gute Licht ist mittlerweile eh weg, mein Hintern schmerzt von der blöden Holzbank und ich verliere langsam die Geduld an dem ganzen Blödsinn, da tutet es wieder.
Deutlich lauter als vorhin, was den alten Herrn neben mir in helle Aufregung versetzt. Letztes Jahr war er noch selber an Bord, wie ich aus den Gesprächen mit seiner Tochter entnehmen kann. Das Licht ist nahezu vollständig verschwunden, aber die zehn Minuten machen den Kohl auch nicht fett, also bleib ich sitzen. Die Bank ist voll, am Rand stehen weitere Schaulustige, es wird eng hier oben. Die jungen Leute verziehen sich mit ihren Kaltgetränken hinter die Brüstung, setzen sich ins Gras und recken hektisch ihre Smartphones gen Himmel. Was ich erst für einen gigantischen Schwarm schwarzer Vögel halte entpuppt sich als ziemlich große Menge an Luftballons, die man auf der Terrasse des Hotels Jacob fliegen ließ. So eine Königin kommt halt nicht mit der obligatorischen Luft- und Lärmbelästigung aus, da muss noch Plastikmüll mit bei.
Für die Lärmbelästigung ist, neben der königlichen Tuterei, eines der Begleitschiffe zuständig. Für die Leute an Bord und alle Anwohner von Sankt Pauli bis nach Blankenese gibt es Zwangsberieselung mit Discoschlagerdancegrauen, dem ich liebend gerne ein Ende bereiten würde. If I had a rocket launcher...
Zehn Minuten später ist der ganze Zirkus vorbei und ich denk mir, so langsam ist der Lack ab. Abgesehen von der schieren Größe sieht der Kahn schon ganz schön schäbig aus, ein neuer Anstrich wäre dringend nötig. Oder ein Eisberg.
Noch voll im Lack: Massive Attack - Live @ Melt Festival 2010
Hm schade, dass sie nicht 2 Wochen früher dort war :)
AntwortenLöschenRichtig fit sieht sie im Vergleich zu den neuen Kreuzfahrtpötten wirklich nicht mehr aus.
Auf die nächste Stadtteilfolge bin ich dann jetzt schon neugierig, wann kommt die denn?
Demnächst, wenn ich mich für die endgültige Bildauswahl entschieden habe.
LöschenDas Licht taugt prima zum Objekt der Begierde - sehr schön!
AntwortenLöschenEine Stunde vorher war es dort noch bunt. Das schwimmende Objekt soll auf dem Foto eigentlich nur die Hallen von Airbus auf der anderen Seite verdecken.
Löschenwaren die jungen leute nicht zu jung für kaltgetränke? es ist gar kein bier zu sehen auf den fotos, die sehen mehr wie fantatrinker aus *fg*
AntwortenLöschendas schiff finde ich übrigens schick, auch wenn mich kreuzfahrten überhaupt nicht reizen, aber irgendwie hat das was. dafür extra an die elbe latschen würde ich trotzdem nicht.
Zwei der jungen Leute haben sogar Wein aus Gläsern getrunken, und es waren nicht die beiden Mädels, die hatten Jever.
LöschenHmmm... so schöne große Schiffe ham wir hier auf der Else und Lenne nicht.
AntwortenLöschenUnd, btw:
Wieso gibts Dienstagmorgen keinen Spielbericht vom magischen FC vs. Dynamo Dresden, hä ?
Da steht man extra 10 min. früher auf... *tztztz*
Ich vermisse den auch. Den Spielbericht
Löschender Autor ist wohl aus der spontanen Siegesfeier ob des glücklichen Endes noch nicht zurück *g*
LöschenDer Autor hatte nach dem Spiel gerade noch Zeit für die Bildauswahl, aber keineswegs für lange Texte.
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