Sonntag, 2. Dezember 2012
Saumagen wird unterschätzt
Vorspiel
Als der Wecker klingelt frag ich mich, ob ich eigentlich bescheuert bin. Ich könnte noch locker eine weitere Stunde pennen, dafür müsste ich nur auf den Saumagen verzichten. Aber jetzt hab ich den Kram schon besorgt, dann sollte ich das durchziehen, auch wenn es noch so albern ist.
Die Dose flugs von beiden Seiten geöffnet, den Inhalt auf einen Teller gedrückt und zwei Scheiben abgeschnitten. Ziemlich feste Konsistenz, Fleisch und Kartoffelstücke sind zu erkennen, kein Fett oder merkwürdige Substanzen, riecht eher unauffällig, was mich bei Fleischkonserven beruhigt. Fleisch aus Dosen ist normal ja nicht so meins, aber als es in der Pfanne liegt entfaltet sich doch ein würziges Aroma.
Trotz des seltsamen Namens, Birnes Leibspeise schmeckt nicht schlecht, Pfeffer und Thymian sind auffällig, pikant gewürzt, dazu würde eine anständige Portion Bratkartoffeln passen, ich hab leider nur zwei Scheiben Brot. Geht aber gut runter, als Grundlage für kaltes Bier an kalten Tagen bestimmt nicht übel, der Rest wird sich zeigen.
Draußen ist es arschkalt und ungemütlich, gegen Kaiserslautern frier ich immer schon vorher, es gibt weitaus angenehmere Gegner. Ergo zwei T-Shirts drunter und dicke Socken, die Kälte kommt von unten.
Ich mach mich auf den Weg mit drei sauteuren Karten in der Tasche, Herr L. musste unbedingt nach Dresden, was nur mit einem rothaarigen Frauenzimmer zu erklären ist, und Gustel hab ich natürlich (natürlich!) nicht erreicht, trotz drei Tagen Telefonterror auf allen Leitungen. Eine Karte hat glücklicherweise der Exilwestfale abgenommen, der schon immer mal ans Millerntor wollte. Die andere versuch ich über das Forum loszuwerden, aber 50 Euronen sind für die meisten ein zu happiger Preis, das wird nix.
An der U-Bahn treff ich den Exilwestfalen, danach noch einen Sprung ins AFM Büro, wo mir Tommy erklärt dass er die Karte wohl nicht loswerden wird. Hab ich irgendwie geahnt. Keine Ahnung wo die Schmerzgrenze eines durchschnittlichen AFM Mitgliedes ist, aber ich sag ihm für nen Zwanni kann er sie verkloppen wenn sie einer haben will. Scheinbar ist auch das für einen gepolsterten Sitzplatz auf H4 noch zu teuer, der Platz neben uns wird leer bleiben. Blöd, wenn man nicht ans Telefon geht, aber mein Geld ist es nicht.
Im Stadion ein eiskaltes Bier und ab auf die Plätze. Vorprogramm mit dem Betzelied, Mannschaftsaufstellung und jubelndem Auswärtsblock, danach unsere Jungs und Diffidati von der Süd, ein gemeinsames "Scheiß DFB" und Schluss. Heute gibt es weder große Choreos noch Lärm, 12:12 ist angesagt.
Spiel (1)
Wir ohne Mohr und Bartels, Boll noch auf der Bank. das wird nicht einfach. Sehr merkwürdige Atmosphäre. Murmeln und verhaltenes Raunen auf den Rängen, mehr ist nicht zu hören. Ganze zwölf Minuten und zwölf Sekunden soll das Stadion schweigen, gegen das "Sicherheitspapier" der DFL, eine Protestform, die von großen Teilen der Haupttribüne ganz locker über neunzig Minuten durchgehalten wird. Wir können das.
Es ist allerdings mühselig, wie der spitze Schrei über unseren Plätzen beweist, als Kalla nach zehn Minuten einen Ball gegen den eigenen Pfosten setzt. Nicht der erste Aufreger, und das, wo man sich nicht mal lautstark aufregen darf, verdammt. Ich guck auf die Uhr, noch zwei Minuten bis ich mich nicht mehr beherrschen muss, da klatscht es schon wieder hörbar an den Pfosten. Gleich darauf ein drittes mal Alu durch Idrissou, dann ist endlich das Publikum da, die Schweigeminuten sind um, Gänsehautatmosphäre, volle Lautstärke, so muss Fußball. Jetzt müssen wir nur noch mitspielen, bisher übernimmt das weitgehend die Pfalz.
Für Idrissou gibt es kurz darauf die gelbe Karte vom starken Schiri Stark, womit er nicht ganz einverstanden ist, der Herr gestikuliert und meckert. "Jaaa" brüll ich, als Stark erneut in Richtung Tasche greift, "erzähl ihm noch mehr, der mag das", aber Idrissou entschließt sich dann doch rechtzeitig zum Rückzug. Wäre eine gute Gelegenheit gewesen den gefährlichsten Mann loszuwerden. Danach entwickelt sich ein munterer Schlagabtausch, wobei wir vorne nicht so recht durchkommen, Lautern ist gefährlicher. Ein wirklich mulmiges Gefühl will sich aber trotzdem nicht einstellen, unsere Abwehr steht überwiegend sicher und Tschauner ist ebenfalls gut aufgelegt heute, nur seine Abstöße sind mal wieder arg verbesserungswürdig.
Kurz vor der Halbzeit noch einmal Ecke für den FCK, "ich hasse Eckbälle um diese Zeit" sag ich, und der Exilwestfale nickt verständnisvoll, es bleibt aber ohne Folgen.
Zwischenspiel
Bisher haben wir Pech mit den Plätzen, die Bedienung verteilt Bier heute nur an Bändchenträger, also geht der Exilwestfale Nachschub holen. Ich kümmer mich fotografisch ein wenig um die Halbzeittapeten, verpass dabei aber einige, weil ich erst Boller beim Aufwärmen und dann den Dartmeister nebst Bezugsgruppe gegenüber auf der Gegengerade als Motiv entdeckt hab. Diese Kompaktknipsenteles sind einfach zu langsam. Die verpassten Tapeten gibt es aber garantiert im Blog von KleinerTod, der ein paar Reihen unter mir ebenfalls mit der Kamera hantiert und sich weniger ablenken lässt. Kurz vor der zweiten Hälfte kommt das Bier. Arschkalt, schlechte Wahl wenn man ohnehin schon friert, es sollte Glühwein endlich auch als 0.5er geben. Gegen Durst UND Kälte. Oder Pharisäer. Wieso gibts eigentlich keinen Pharisäer im Stadion? Wann ist die nächste JHV?
Spiel (2)
Vor dem Anpfiff quatscht Idrissou mit Schiri Stark und macht scheinbar Scherze. "Will der sich etwa einschleimen?" frag ich den Exilwestfalen. Der steht ganz oben auf dem Zettel, der soll bloß was versuchen. Es geht munter weiter, Schlagabtausch Teil zwei, wieder mit Vorteilen für die Pfalz. "Zu ungenaues Passspiel" mäkelt der Exilwestfale neben mir nach einem unnötigen Ballverlust. "Tja" sag ich, "das ist halt zweite Liga." Dortmunder sind inzwischen zu verwöhnt.
Tschauner darf sich mehrfach auszeichnen, jedenfalls mit den Händen, der Fuß ist heute nicht sein Freund. Nach einer Viertelstunde können wir uns etwas befreien, setzen endlich konsequenter nach, so kommt man auch mal vors Tor, immer öfter, denn ungenaues Passspiel kann Kaiserslautern auch wenn man sie frühzeitig attackiert. Auf den Rängen geht es ziemlich ab, Nord, Gegengerade und Süd befeuern sich gegenseitig mit Wechselgesängen und auch der Gästeblock ist bemerkbar. Laut und fair, kein ödes Scheiß Sankt Pauli geprolle, aber durchgehend guter Support für ihre Mannschaft, solche Gäste mag ich. Feiern können allerdings wir, denn in der 67. Minute macht unser aktueller Knipser Daniel Gincek das 1:0, nach den letzten starken Minuten ist das durchaus nicht unverdient. Woohoo, endlich steht auch die Haupttribüne mal auf und singt. Woohoo ist allerdings auch einfach zu merken.
Noch über zwanzig Minuten Schlagabtausch, fünfzehn Minuten davon spielen unsere Jungs Fußball wie von einem anderen Stern, lauter kleine Messis auf einmal, mittendrin Obermessi Buchtmann, der es leider nicht schafft einen zweiten Ball zu versenken, verdient gehabt hätt er es heute. In den anderen fünf Minuten bauen sie dafür wieder ein paar Schnitzer ein, die zu gefährlichen Kontern führen, man muss die Spannung hochhalten. Erträglich gemacht wird das durch die neue Bedienung, es gibt doch noch ein Freibier. Zwei Minuten vor Schluss wieder eine Ecke gegen uns. "Hab ich schon erwähnt, dass ich Eckbälle zu solchen Zeitpunkten hasse?" frag ich meinen Nachbarn, aber auch diesmal geht alles gut. Ebbe kommt noch und hat zwei Minuten Nachspielzeit für sein Jubiläumstor, leider zu kurz, das Stadion ist komplett auf den Beinen und singt das Ende herbei. Schluss, aus, abfeiern. Richtig gut abfeiern, das hamse sich verdient.
Nachspiel
Bis zum Spiel der Dortmunder in Bayern hat der Exilwestfale noch etwas Zeit, das investieren wir in ein kurzes Treffen mit der Tresenkurve vor dem AFM Container und in eine Portion belgische Pommes mit Erdnussauce auf dem Dom, denn natürlich muss er als Erdnusssaucenconnaisseur unbedingt meine letzte Entdeckung auf Tauglichkeit überprüfen. Jetzt bin ich mal gespannt ob er den Namen behalten und eine Bezugsquelle gefunden hat, da würde ich dann auch einkaufen wollen. Geiles Zeug, leider als Orakel völlig untauglich.
Aber sag nochma einer was gegen Pfälzer Saumagen.
HeimspielsieggegendiePfalzMusik: Mark Lanegan - Whiskey For The Holy Ghost
Gefunden: JamJam
AntwortenLöschenIch schau aber erstmal in den örtlichen Asia Shops nach der Sauce!
Oben hab ich den Link verdudelt, der hier funzt (hoffentlich) :-)
LöschenJamJam
Mein Arbeitskollege hat eine Karte für die Metro, ich werd mich dort bei Gelegenheit mal umsehen.
LöschenSataysauce bei Famila gefunden :-)
LöschenDann muss ich da morgen nach der Arbeit wohl mal hin..
LöschenSoso ein Fremdgeher also!!!
AntwortenLöschenHabe ich doch immer gesagt, ohne Orakelei funzt bei den Magischen gar nix. Hättest den Saumagen weggelassen wären wahrscheinlich alle 3 Pfostentreffer dringewesen und Du hättest über das triste Mittelfeld schreiben müssen.
Nee, in der Geschwindigkeit hätten die keine drei Treffer erzielen können, wir hätten dazwischen ja Anstoß gehabt.
Löschen50 Tacken wär mir auch zu viel gewesen am Monatsende, wenn ich geahnt hätte wie das ausgeht, für nen Zwanni hätt ich die genommen. Leider war ich nicht in der Stadt, wie immer bei coolen Sonderangeboten :(
AntwortenLöschenDein Problem ist, dass Du am liebsten sichere 5:0 Siege und ein tobendes Stadion sehen willst, viel bunt, viel laut, aber das garantiert Dir niemand. Deswegen bist Du auch vor dem Fernseher besser aufgehoben, genau wie das ganze Volk auf den Businessplätzen, das gehört auch vor den Fernseher, man muss sich halt nur die Schnittchen selber machen. Diese Konsumentenhaltung führt nämlich auf Dauer zu einer Atmosphäre wie in den ersten 12 Minuten und dann ist selbst ein 5:0 öde.
LöschenSaumagen zum Frühstück. Naja, wenns hilft...
AntwortenLöschenEs hilft nicht nur, es schmeckt sogar :)
LöschenNa denn mal herzlichen Glühstrumpf !
AntwortenLöschenMuss ja zu Anfang ein ziemliches (Voll)Pfostenspiel gewesen sein, was man sonst noch so liest. *g*
http://www.taz.de/Sieg-fuer-St-Pauli/!106699/
Reichlich Vollpfosten im Weg, ja. Gott sei Lob und Dank. Mit Dir und dem Exilwestfalen gemeinsam hätt es noch n lustiger Abend werden können. Du musst flexibler werden, ich hab schon ab und an eine Karte mehr ;)
LöschenMein Magen sperrt sich dagegen etwas zu essen was vorher schon in einem anderen Magen war. An den Orakelquatsch glaubst du doch selber nicht ;)
AntwortenLöschenGruß, N.
Das sagt der größte Wurstvertilger unter der Sonne. Darm, Digger :p
LöschenNatürlich glaub ich nicht an den Orakelquatsch, aber solange es funktioniert macht es irgendwie schon Spaß *g*