Mittwoch, 21. November 2012
Two songs, no flash
Konzerte mitten in der Woche sind grenzwertig, ganz besonders bei meinem Job. Im Normalfall verzichte ich auf so etwas, aber Ryan Bingham ist kein Normalfall, für den Mann wechsel ich die Schicht und steh um 4 auf, eine Anstrengung die ich sonst nur für Montagsspiele des FC über mich bringe.
Auf dem Weg zum Knust fällt mir ein, es ist immer noch Dom, also werde ich mit Parkplätzen kein Glück haben. Da ich noch nicht einmal eine Eintrittskarte habe (wer kennt schon Ryan Bingham beruhige ich mich) bin ich frühzeitig unterwegs, habe Zeit genug für die Parkplatzssuche und den anschließenden zehnminütigen Fußmarsch. Das Knust ist noch geschlossen, die anstehende Menge überschaubar und zehn Minuten später bin ich drin. Hallelujah! Noch eine Stunde bis zum Vorprogramm, ein Bier holen, vor der Bühne postieren und warten. Warten...
Ich hasse es zu warten. Ich bin nicht fit, dann ist es noch schwieriger. Ich beschäftige mich mit meiner Kamera, die ist noch für Nachtaufnahmen eingestellt, alles umbasteln, dann ein paar Probeaufnahmen vom Equipment, fertig. Geht es bald los? Ich wär soweit.
Es geht. Überaus pünktlich um 21 Uhr betritt ein zierliche aber stimmgewaltige junge Dame namens Valerie June mit ihrer Band die Bühne. Die Mischung aus Blues, Gospel und staubtrockenem Country mit elektrischer Hallgitarre, Hammond B3 Klängen und Mariachitrompeten gefällt nicht nur mir, es gibt reichlich Beifall für Valerie. Sehr sympathischer Auftritt, auch wenn ihr Slang zwischen den Songs für reichlich ratlose Gesichter sorgt, ein paar im Publikum verstehen ihre Scherze und lachen darüber. Das Licht ist, wie immer im Knust, spärlich wie in einem Puff auf dem Kiez, was Actionfotos zur Glückssache werden lässt. Also immer drauf mit dem Objektiv und gib Feuer...
In der Umbaupause schnack ich mit meinem Nachbarn, Typ langhaariger Hippie, etwa in meinem Alter. Der ist auch sehr angetan von Valerie und möchte ein paar Bilder sehen. Auf den ersten Blick ist eine ganze Menge brauchbares Material dabei, das lässt hoffen. Ich pack das Gerät weg, mein Nachbar organisiert Getränke und ich bin mittlerweile umzingelt von Frauen, die auf Ryan Bingham warten.
Plötzlich kommt einer der Roadies auf uns zu, "who's the guy with the huge camera?" Ähm, wie meinen? Meint der mich? Scheinbar. Ich zeig ihm das Ding und sag gleich vorauseilend, ich würd auch keinen Blitz benutzen. Er grinst und sagt, immerhin sehr freundlich, "two songs, no flash, ok?"
Super, das wollte ich ja schon immer mal, dass jemand so etwas zu mir sagt. Nicht.
Aber egal, damit kann ich leben, halt ich halt gleich drauf wie blöd und kann hinterher in Ruhe das Konzert genießen. Die Dame hinter mir versteht das nicht, das könne man ja schlecht kontrollieren, schließlich hätt hier bestimmt jeder sein Handy in der Tasche und sie wollt mit ihrem Eifohn eigentlich auch ein paar Fotos machen, von hier vorne. Ich bezweifle stark, dass man bei diesem Licht mit einem iPhone etwas wird, aber versuchen kann man es ja.
Dann betritt Herr Bingham die Bühne, zusammen mit seiner überaus lebendigen Band, den Dead Horses. Nach wenigen Minuten wird mir klar, wieso ich hier überwiegend weibliche Nachbarn habe, der scheint ein Frauentyp zu sein. Man müsste Gitarre spielen und tolle Songs schreiben können. Naja, und hässlich ist der Kerl auch nicht gerade, zugegeben. Und dann diese Stimme, die hat es mir schon früher angetan, in den letzten Jahren scheint er noch ein wenig mit groberem Schleifpapier nachgeholfen zu haben. Kann das gesund sein?
Ich frag mich, wer hier ist um The Weary Kind zu hören und Bingham nur vom Crazy Heart Soundtrack kennt, hier geht es weit brachialer zu Werke, Stromgitarren Baby! Das rockt gut los, Western Shore ist auch lang genug um einen Haufen Fotos zu schießen, danach ist Konzert pur angesagt. Hat sich definitiv gelohnt heute die Anstrengung, da hätt ich echt was verpasst. Natürlich spielt er viel aus dem neuen Album Tomorrowland, ist schließlich Promotion der ganze Spaß hier, aber ich komm nicht zu kurz, ein paar meiner alten Favoriten sind auch dabei. Flower Bomb klingt auch live wie ein Song von Springsteen, langsam gewöhn ich mich daran, er klingt immerhin wie ein besserer Song von Springsteen. Mit Guess Who's Knocking rockt er den Laden endgültig, die Meute ist ebenso begeistert wie ich, was für ein geiles Konzert.
Weil der Herr Bingham so ein netter Mensch ist gibt es The Weary Kind als Zugabe, so ganz allein und kuschelig mit akustischer Klampfe, und ja, der Song ist großartig, den Oscar dafür hat er sich verdient. So wie wir uns die nächsten drei Zugaben. Thank you for a great time, Mr. Bingham.
Zum bloggen die volle Dosis: Ryan Bingham & The Dead Horses - Mescalito/Junky Star/Tomorrowland
Wenn ich noch mehrere deiner Konzertberichte lese, befürchte ich, nochmals auf ein Konzert gehen zu müssen...
AntwortenLöschenDas 3. und das letzte Foto finde ich klasse!
Was gibt es denn daran zu befürchten? Konzerte sind doch das Salz in der Musiksuppe ;)
Löschen...für mich nicht mehr: viel zu laut und zu viele Menschen - da will weder Freude noch genuss aufkommen... ob ich wohl alt werde jetzt? ^^
LöschenHach, zwei Lieder durftest Du fotografieren ich glaube fast hier 3 zu erkennen *g*
AntwortenLöschenWar wohl ein schöner Abend, der Lust auf Konzerte macht. Schöner Bericht und gewohnt gute Foddos.Der Blick auf der 3 ist so irre, das mir dieses Foto auch am meisten zusagt ;)
Die ersten Aufnahmen von Valerie zählen nicht mit, die Ansage kam ja erst später :)
Löschenich steh eigentlich nicht auf vollbart aber der sieht irgendwie schnuckelig aus *grins*. vielleicht hättest du mir mal etwas von dem vorspielen sollen, wenn der ähnlich klingt wie der boss dann ist das was für mich (und du hättest nicht alleine gehen müssen)
AntwortenLöschenseine tattoos hätte ich mir gerne aus der nähe angesehen *g*
Ich könnte mir durchaus vorstellen, dass der etwas für dich wäre. Musikalisch natürlich. Die Ähnlichkeit mit Springsteen beschränkt sich allerdings auf wenige Momente.
LöschenDie Titelzeile erinnert mich an eine Doku über Hanf in der Rock-Musik (war mal nen Themenabend auf Arte) - hat also eigentlich gar nix mit dem Konzert zu tun, aber eben mit der Titelzeile:
AntwortenLöschenda kommen Musiker von The Clash zu einem Reggae-Konzert in London und ein Typ namens Mickey Dread steht hinter'm Tresen. Bestellt der Punk "two beer and a spliff!" und der Wirt verbessert "no, make it 2 spliff and one beer"
ja, so waren die 70er :)
Das Verhältnis kommt mir auch eher entgegen :)
LöschenSchöne Bilder, klasse geschrieben. Wäre was für mich, wenn ich noch Mukke hören würde. Aber seit Monaten kaum mehr ....... frag nich net wieso.
AntwortenLöschenIch gestehe mir auch ab und zu eine gewisse Müdigkeit ein was die Musik betrifft, aber so ganz?
LöschenIch frag lieber nicht..