Sonntag, 25. November 2012
Kinder an die Macht
Vorspiel
Als der Wecker klingelt lins ich kurz aus dem Fenster, es ist immer noch Suppe draußen, dabei hat vor kurzem noch jemand von Sonnenschein geredet. Ich hau auf die Schlummertaste und leg mich wieder ab. Die Nacht war kurz und ich steh früh auf singt Thees in meinen Gedanken, wird aber vom zweiten Weckerklingeln rüde unterbrochen. Na denn. Ich quäl mich aus den Federn, dabei fällt mir ein, dass morgen die Jahreshauptversammlung ist, da muss ich noch weit früher hoch. Dieser Verein schafft mich irgendwann.
Frühstück fällt aus, der Kühlschrank ist leer und ein Frühstücksorakel für Duisburg ist mir sowieso nicht eingefallen, gibt es eben im Stadion eine Currywurst mehr. Ich zieh mir einen Kaffee und mach mich fertig, da klingelt auch schon das Telefon. Verabredung U Bahn St. Pauli, wie immer. Klappt problemlos wie immer, Tommi und Herr L. warten, denn ich hab die Karten. Nicht lang geschnackt, ab ins Stadion, 2 mal Curry mit Brot und danach schmeckt auch das erste Bier. Früher hab ich immer den Kopf geschüttelt wenn jemand um diese Zeit schon Alkohol trinkt, aber mit Fußballfans kann mans ja machen.
Die teuersten Karten meines Lebens bescheren uns diesmal Plätze auf H4. Verbilligte Businessplätze mit Klappsesseln, richtig bequemen gepolsterten Klappsesseln. Da könnt ich mich direkt dran gewöhnen, gerade momentan ist das eine Wohltat. Der Auswärtsblock stimmt ein fröhliches "Scheiß Sankt Pauli" an, wer hat denen nur diesen originellen Text verraten? Fünf Minuten später bedanken wir uns wie immer mit der Hymne des Gastvereins. Nein, nicht wie immer. Eine Abordnung der Gäste ist am Vortag vorstellig geworden und bat um den legenderben Zebra Twist, die offizielle Hymne ist wohl nicht so beliebt in Meiderich. Machen wir natürlich gerne auf Scheiß Sankt Pauli und bekommen dafür immerhin den Beifall des Gästeblocks. Dafür will ich die Punkte aber auch, alle drei.
Choreo fällt heute flach, die Jahreshauptversammlung droht. Die Pappen zum Thema finde ich zum Teil echt unterirdisch, ich hoffe die Diskussion morgen wird niveauvoller, die Erfahrung lässt mich zweifeln. Pünktlich vor dem Einlauf der Mannschaften fängt es an zu schütten, allerdings nur im Süden, in der Nordhälfte scheint die Sonne. Während noch tausende von Bierglaskrawatten vom Wind über den Platz geweht werden läuft auch schon das Spiel. Was für ein Glück, dass wir die nicht vorher alle einsammeln mussten, das hätte wieder eine fette Strafe vom DFB gegeben. Bierglaskrawattenrandale war noch nicht.
Spiel (1)
Rasenschach? Wir ganz in weiß, die Düsen in schwarz lässt das vermuten. Schach kann Duisburg erstmal besser, wir sind in den ersten Minuten ziemlich unter Druck, was soll das? Andere Richtung bitte! Nach zehn Minuten geht es auch mal vorwärts und wir kommen zu Chancen, aber ungefährlich ist der MSV nicht, die Abwehr zeigt Konzentrationsschwächen, das kann sich rächen. Doch dann gibt es Entwarnung, Bartels ist vorne durch und flankt, Avevor legt das Ding zurück, Ginczek ist da und es steht 1:0. Woohoo. Der Mann wird echt zum Knipser, wenn er auch mal zwei in einem Spiel macht wird es schwer für Ebbe noch mal in die Mannschaft zu kommen.
Danach verflacht das Spiel ein wenig, für das leibliche Wohl wird jedoch gesorgt, es gibt Freibier. Da scheinbar niemand so recht weiß wer Businessvollzahler ist und wer eine ermäßigte Karte hat, bekommt derjenige ein Bier der einfach mal die Hand hebt, was wir natürlich gut ausnutzen. Eine weitere harte Ablenkung vom harten Fußballalltag bietet die liebreizende junge Dame, die das Bier auf unserer Ecke reicht. Zu allem Überfluss mit einem leicht roten Schimmer in den Haaren, was Herrn L. ganz besonders entzückt, neben den pünktlichen Bierlieferungen.
Nebenbei gibt es ein paar Chancen, ein paar mehr für uns, aber nichts zählbares. Support ist auch nicht so dolle heute, man könnte die Jungs doch etwas mehr anfeuern, vielleicht wird es dann was. Bis auf die paar Versprengten die es mit uns hergespült hat macht aber niemand richtig mit. Dabei wäre ein zweiter Treffer mal nötig, remember Bochum, die Zielgenauigkeit fehlt ein wenig.
Auf der Uhr steht 44:48 und es gibt Freistoß für uns an der Mittellinie. "Da passiert nix mehr jetzt" sag ich zu Herrn L. und erwarte den Pausenpfiff. Der kommt aber nicht, wir verdaddeln die Pille und laufen in einen Konter. Kern kann ungestört flanken, der Ball nimmt einen hohen Bogen und fliegt und fliegt und senkt sich und fliegt und als ich noch denke der geht vorbei ist er auch schon drin, weil Tschauner scheinbar auch denkt der geht vorbei, oder weil er sich wundert wieso Kringe den nicht vorher mit dem Kopf abräumt. Sieht nach einem klassischen Missverständnis aus und ist mal wieder ein Tor von seltener Dämlichkeit, so etwas kassieren nur wir und mit Vorliebe vor dem Pausenpfiff. Da kriegt man echt das Kotzen.
Zwischenspiel
Bier holen ist hier nicht nötig, da kann man schön auf seinem Platz bleiben. Klönschnack mit netten Nachbarn, Fotos machen. DSP entrollt ein paar Meter unter mir ein Banner, in der Süd spottet man über die Zaunfahnenverbrenner aus St.Ellingen, aber auch in der Halbzeit ist Stenger Adressat Nummer eins. Auf den Rängen herrscht miese Stimmung, Vereinspolitik ist nicht erfreulich gerade, das macht alles keinen Spaß mehr. Ebenso entsetzlich finde ich den leeren Block neben uns, das Spiel läuft und auf den Businessplätzen sitzen grad mal zehn Leute. Der Rest möchte wohl erst die Wurst in Ruhe essen.
Spiel (2)
Fußball soll aber Spaß machen, macht er endlich auch. Die Jungs sind hoch motiviert vom Mittagstisch gekommen, nur der Treffer will nicht fallen. Ginczek netzt leider immer nur einmal bei fünf Chancen, und bei einem richtig geilen Hammer aus dem Rückraum von Gyau ist der Torwart der Düsen rechtzeitig unten. Kaum zu glauben, der hätte echt sitzen müssen, den konnte der Keeper höchstens erahnen, entsprechend wird er von seinen Meidericher Kollegen gefeiert. Noch eine halbe Stunde, wird Zeit das etwas passiert hier. Dann überschlagen sich die Ereignisse. Bei uns Doppelwechsel, Kringe und Gyau raus, Gogia und Daube rein. Ich weiß ja nicht, der Gogia ist mir immer zu zappelig.
Bevor ich mir weitere Gedanken über die Auswechslungen machen kann, macht Fin Bartels einen auf Chuck Norris. Buchtmann bringt den Ball von links über die Duisburger Abwehr und Fin hängt quer in der Luft, Gräten hoch und rein das Ding. Woohooo, waaaas für ein geiles Tor. "Mein Fin! Mein Fin" kreischt Herr L. neben mir ganz in Ekstase. Vertrag verlängern fällt mir als erstes ein, unbedingt Vertrag verlängern, egal wie lange der noch einen hat. Den Treffer guck ich mir in der Flimmerkiste noch öfter an heute Abend.
Minuten später senst die 33 im Mittelfeld Mohr um, "der hat schon Gelb" brüll ich, denn 33 ist eine Nummer die man sich gut merken kann. Dämliches und überflüssiges Foul wenn man schon Gelb hat, folglich geht es jetzt gegen 10 Duisburger weiter. Soll mich das beruhigen? Bei einer Führung eigentlich schon. Unsere Chancen erhöhen sich, es wird weiter munter nach vorne gespielt, alles wirkt auf einmal viel leichter und dann ist es erneut Fin Bartels der eine dieser Chancen nutzt, Gogia flankt schön in die Mitte und es steht 3:1 Woohoo. Die lassen nix mehr anbrennen jetzt und Fin ist eindeutig der Mann des Spieles.
Und wenn alles schon so leicht fällt dann klappt es auch mit dem Support. In einer der Logen über uns kräht eine helle Kinderstimme unentwegt "Sankt Paulihiii! Sankt Paulihii!" Das nenn ich mal Ausdauer, da kann sich das restliche Volk auf der Haupttribüne eine Scheibe von abschneiden. Ich steh auf um mir das anzusehen, er sitzt bei Vaddern auf dem Schoß und kräht munter weiter, ich ruf zurück, Herr L. und Tommi fallen ein und plötzlich kommt Leben in den Block. Wechselgesang mit einem vielleicht Fünfjährigen vor der Astraloge, das rockt, wir kriegen uns vor Lachen kaum noch ein. Das vergisst der in seinem ganzen Leben nicht mehr, schon wieder eine Seele für den magischen FC gefangen. In zehn Jahren steht der auf dem Zaun.
Zehn Minuten vor Schluss kommt Saglik rein, was in der Umgebung mit freundlichem Wohlwollen aufgenommen wird. Ich kann nach seinen letzten Leistungen auch nicht verstehen, dass der nicht gespielt hat, nur Herr L. ist etwas unwirsch weil Ebbe nicht kommt. Als sich alle schon mit einem 3:1 zufriedengeben wollen ist es ausgerechnet Mahir Saglik der zwei Minuten vor dem Ende eine Vorlage von Daube verwerten kann, 4:1, Schützenfest allez, gute Einwechslungen, alles richtig gemacht. Wenn man sich zwei Meter vor dem Strafraum völlig frei die Kirsche zurechtlegen kann muss der aber auch sitzen.
Dann ist Abpfiff und Abfeiern angesagt, vor den schweren Spielen gegen Braunschweig und die Region das richtige Ergebnis, endlich wieder Spaß am Millerntor und nicht mit Toren gegeizt. Geiz ist ungeil.
Nachspiel
Ein kurzer Besuch am AFM Container, aber kein Bier mehr für mich, ich hab eher Hunger. Tresenkurve trinkt auch schon aus und geht, so richtig gemütlich war das Wetter auf der Gegengerade wohl nicht, aber das Dach nimmt ja langsam Formen an. Wir schlendern noch über den Dom, im Falle eines Sieges hatte ich Herrn L. eine Eierlikörtasche versprochen, er bevorzugt heute aber Marzipan. Ich halte mich weiter an Fruchtfüllung und Tommi an Pudding, was ich für ein außergewöhnliches Wagnis halte. Pudding gehört in die Schüssel.
Danach entdecke ich einen Stand mit belgischen Pommes, und endlich mal einer der Erdnusssauce hat, sogar in amtlicher Schärfe. Sehr empfehlenswert, stößt bei den Kollegen aber völlig auf Ablehnung die Erdnusssauce. Wat de Buur nich kennt...
Als Tommi sich noch eine Currywurst bestellt zögere ich kurz, aber die beiden von heute morgen waren schon etwas viel. Ich schließe mich lieber Herrn L. an, den zieht es zum Crepestand, weil ich ihm vor dem Spiel mit meiner neusten Pfannkuchenkreation den Mund wässrig gemacht habe. Ich kann manchmal gemein sein.
Der Crepe war dann letztlich ein würdiger Abschluss, ordentlich Calvados drauf, so wie es sich gehört, richtig lecker. Geiz ist halt ungeil.
Schreibmusik heute, nein, nicht Grönemeyer, volles Programm Panteón Rococó - A La Izquierda De La Tierra/Compañeros Musicales/Tres Veces Tres/Arreglame El Alma/Ni Carne Ni Pescado
Ich denke man hat den Geist vom Millerntor heute mal wieder deutlich gespürt. Besonders der Wechselgesang mit der kleinen ging einem, im Nachhinein, doch echt ans Herz. Das mit dem Freibier könnte gerne öfter so sein. Ansonsten, stimme ich dir in allen Punkten wieder zu. Super Spiel!
AntwortenLöschenZu der Puddingtasche: Pudding gehört in die Schüssel! Nicht zu empfehlen.
Das war mir spätestens klar als Du den Rest abgeben wolltest *g*
LöschenGlückwunsch vom Schwarzen Berg dazu!
AntwortenLöschenDanke :)
LöschenHm, lecker, scharfe Erdnußsauce. ^^ Nicht gesehen, aber dafür die Suppe im Fanladen genossen. Und leider auch nicht gesehen, wer da noch im Block H4 gelandet war - umgekehrt ja offensichtlich nicht. ;) Vielleicht ja beim nächsten mal?
AntwortenLöschenNoch zweimal H4 dieses Jahr. Hab schon schlechter gesessen und die Erdnusssauce werde ich mir nach Kaiserslautern wieder gönnen glaub ich.
LöschenAha jetzt muss die Kogge schon kleine Kinder shanghaien und Du bist im Rentnersessel mit Freibier unterwegs. Na das Freibier liest sich ja gut, ansonsten hatte ich gestern zur Halbzeit fast das Schlimmste befürchtet. Aber so: Gratz nach da oben ;)
AntwortenLöschenSchöner Bericht mal wieder.
Kogge? Welche Kogge? Ich kenn keine Koggen, die einzige die ich kannte ist versenkt.
LöschenWichtige drei Punkte, in den nächsten beiden Spielen werden wir nichts holen wenn dir kein Orakelfrühstück einfällt. Gegen Braunschweig wär das simpel, einfach ein paar Jägermeister lenzen *grins*
AntwortenLöschenJägermeister kommt nicht über meine Lippen, ich hab eh keinen Urlaub für Braunschweig. Gegen Kaiserslautern hilft sicher Pfälzer Saumagen, bestellt ist der schon.
LöschenIch MUSS hier jetzt einfach mal was schreiben.
AntwortenLöschenAnsonsten holt mich der Scheff vielleicht nicht am 22.12.um 18:12 Uhr am Hbf ab.
Oder, noch viel schlimmer, er schreibt nix mehr im Schnitt.
Wir haben nämlich seit neuestem "Comment-Trading"!
Ja, echt.
Vallah!
;-)
oh... ich hab ein 'n' im Namen vergessen.
LöschenSpinner *g*
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