Sonntag, 28. Oktober 2012
Fast ein Dübakel
Vorspiel
Die Umstellung auf Winterzeit verschafft mir eine ganze Stunde mehr Schlaf, theoretisch. Die innere Uhr ist irgendwie dagegen und ich bin um 9 Uhr wach, da kann man mal...sehen. Wenigstens muss ich jetzt nicht hetzen, erst ne Fluppe, nen Kaffee und etwas im Forum lesen. Danach packe ich den Original Dresdner Christstollen aus, den ich gestern noch schnell bei Aldischönensachen erstanden habe. Original Dresden kostet doppelt so viel wie die anderen Dinger, aber ich bin nicht bereit ein Risiko einzugehen, wir brauchen drei Punkte heute. Der schwere Karton täuscht nicht, das Teil ist riesig, davon bekomme ich nur zwei Scheiben runter. Wenn das man reicht.
Herr L. fährt wieder regional, wir treffen uns an der U-Bahn vorm Stadion. Es ist sonnig, aber arschkalt, genau wie das erschreckend langsam tröpfelnde Bier vom mobilen Bierstand, ich krieg es kaum runter. Muss aber sein, denn die nächsten zwei Stunden gibt es nichts zu trinken. Es ist zwar kein Sicherheitsspiel (oho!) aber Alkohol gibt es trotzdem nicht. Ich frag mich, wer sich diesen Blödsinn ausdenkt und stelle mir ein paar fies grinsende Beamte mit Würfelbechern vor.
Noch schnell die obligatorische Wurst reingezerrt und ab auf die Plätze. Einen Vorteil hat das mit ohne richtiges Bier, man hat die Hände frei und kann fotografieren. Wie ein Wilder in der Gegend herum, die langsam wachsende Gegengerade, den Dresdner Block mit ihrer Choreo gegen den DFB, die Südkurve bunt mit Kassenrollenweitwurf, man kommt nicht hinterher. Den Anstoß unserer Jungs noch mitgenommen, die Kamera eingepackt und auf Fussi konzentriert, aber ich pack sie sofort wieder aus. Tumulte bei den Gästen, scheinbar geht es um ein entferntes Banner, genaueres lässt sich nicht erkennen. Pozilei und Ordner dabei und bis auf ein paar verbale Scharmützel schnell wieder Ruhe. Alle können sich auf das Spiel konzentrieren.
Naja, fast alle.
Spiel (1)
Großartiger Blick von der Haupttribüne, auf eine Mannschaft die sich scheinbar auf rein gar nichts konzentrieren kann, am allerwenigsten auf Fußball. Kurz vorher hab ich Kalla noch für ein paar starke Szenen gelobt, da lässt er sich von Ouali überlaufen, einmal, zweimal, dreimal ist der durch, beim dritten mal schiebt er das Ding ein, 0:1 für Dresden. Himmelarsch, ich bin bedient. Und es kommt noch schlimmer, die spielen wieder wie in Regensburg, keine Ordnung, Fehlpässe ohne Ende, zu weit weg vom Gegner, es ist grausam, ein Rückfall in schlimme Zeiten. Wie immer völlig ideenlos gegen kompakt stehende Gegner. Und immer wieder Ouali, der direkt vor meinen Augen durchmarschiert. Die ganze Seite ist eine Katastrophe, vor Kalla stolpert noch Schindler über den Rasen ohne ein Bein an den Boden zu kriegen. Der zweite Treffer fällt trotzdem über die andere Seite, die macht es auch nicht besser. Ja, der Poté, der ist gefährlich. Aber kein Vergleich zu unserem Team, das ist noch viel gefährlicher. Bei fast jeder Aktion möchte man die Hände vor die Augen schlagen, so gefährlich wird das für uns.
Der Gästeblock nervt mich zusehends, lauter als das restliche Stadion. Dü Dü Dü Na Na Na Mo Mo Mo.
Dü Dü Dü, ja scheiße denk ich, wenn das so weitergeht wird das ein echtes Dübakel heute. Keiner wehrt sich, ist das übel. Ich suche schwachen Trost bei dem Gedanken, nach der zu erwartenden Klatsche wenigstens den Orakelblödsinn von der Backe zu haben. Das endet heute wie es letztes Jahr begann, mit Dresdner Stollen.
Vierzig Minuten seh ich eine Trümmertruppe, die mit Glück nur 0:2 hinten liegt und dann geht auf einmal ein Ruck durch die Mannschaft, es zieht mal einer ab, statt noch einen Pass zu versuchen, plötzlich klappen die einfacheren Dinge wieder und endlich wird der Gegner mal unter Druck gesetzt. Das macht sich bezahlt, kurz vor der Pause gibts eine Ecke, Boller kommt an den Ball, dreht sich wunderschön und zimmert das Ding in die Maschen. 1:2.
O Captain! My Captain! Wer sonst könnte vorangehen, die Jungs mitreißen und ihnen zeigen wie man den Acker pflügt. Ich liebe diesen Mann, hab ich das schon mal erwähnt? Fabian Boll Fußballgott! Als der eher unglücklich pfeifende Schiri die Halbzeittröte auspackt schwören sich die Jungs auf dem Rasen schon für die zweite Hälfte ein, da geht noch was.
Zwischenspiel
Kein Bier, also kein Spaziergang, dafür wird eine Tapete an mir vorbei abgerollt, von einem jungen Mann den ich vor dem Spiel schon zu erkennen glaubte, und der sich dann tatsächlich als gar nicht mal so kleiner kleinertod entpuppt. Es ist immer wieder erstaunlich, da sind über 20.000 Leute auf vier Tribünen verteilt, aber laufend trifft man jemanden den man von irgendwoher kennt. Ich hab ganz vergessen zu fragen, was denn jetzt eigentlich auf der Tapete stand, aber das wird man sicher auf seinem Blog nachlesen können. Zu diesem Zeitpunkt sind wir jedenfalls beide überzeugt, dass die Boys in brown das Spiel noch drehen können. Schon erstaunlich was nur fünf Minuten Kampf und Leidenschaft bewirken können.
Spiel (2)
Die fangen tatsächlich so an wie sie aufgehört haben, das hab ich kaum zu hoffen gewagt. Gyau für den schwachen Schindler, der gefällt mir richtig gut. Und ich sach noch, seit Kringe die Ecken schießt sind wir viel gefährlicher geworden, da wuchtet Avevor das Ding per Kopf ins Netz, 2:2 Ausgleich kurz nach dem Wiederanpfiff, alles auf Anfang. Woohoo, es kommt Leben in die Bude, und endlich wird der Auswärtsmob leiser. Aggressiv in die Zweikämpfe, den Gegner unter Druck setzen, dann klappt das auch. So wie der Pass vom Captain auf Daniel Ginczek nur ein paar Minuten später, 3:2 und wieder mal ein Spiel gedreht. Wir haben das auch gut im Griff jetzt, ab und zu kommt zwar jemand bis an die Grundlinie, aber das pflückt Tschauner weg. Ein viertes Tor wäre nervenschonend, leider will das nicht fallen. In der 70. nimmt der Dresdner Trainer Ouali vom Platz, das ist leidlich beruhigend, der hat viel Alarm gemacht. Den gibt es in den letzten Minuten dennoch vermehrt, weil wir viel zu tief stehen und wieder unter Druck geraten. Aber auch die drei Minuten Nachspielzeit überstehen wir, drei Punkte im Sack, sehr mühsam, aber mit einer Einstellung, die wenigstes in der zweiten Hälfte gestimmt hat. In München muss die über 90 Minuten stimmen, wenn ich schon wieder nach Bayern fahre.
Nachspiel
Ich brauch dringend ein Bier, egal wie kalt das ist, ich bin völlig ausgetrocknet. Durch das ungeheuer intelligente Alkoholverbot sind die Vollbierstände vor dem Stadion von Menschentrauben umlagert, und wie immer, wenn ich endlich dran bin wird das Fass gewechselt. Dadurch find ich Herrn L. nicht wieder und nehme an er hat sich zum AFM Container begeben, wo ich Koschi und Herrn B. finde, aber nicht Herrn L. Ans Handy geht er auch nicht, also geb ich seiner Mailbox den Standort bekannt. Klappt tatsächlich, zehn Minuten später stößt er dazu und wir können noch ein wenig fachlich simpeln.
Ich hab ihm noch gar nicht erzählt, dass ich für das nächste Wochenende schon Original Münchner Weißwürste gekauft habe. Orakelfrühstück, mal sehen ob das auch auswärts klappt.
Drei-Punkte-Musik: Panteón Rococó - Compañeros Musicales/Ni Carne Ni Pescado
Oh, haste maldie "richtige" Knipse mitgehabt ? Und ne neue Achterbahn sehe ich da auf dem Dom. ;-)
AntwortenLöschenJo, Winterdom wird grad aufgebaut. Und nix "richtige" Knipse, immer noch die Canon. Seit es erlaubt ist "richtige" Knipsen mitzunehmen ringe ich allerdings mit mir, gegen Bochum ist Flutlichtspiel, da werd ich wohl mal die SLR mitnehmen. Gegen Bochum hab ich auch einen Mann mehr dabei, der mal das Bier halten (und neues holen)kann.
LöschenAh geht doch! Das Orakel macht es halt spannend.
AntwortenLöschenDenk dann in München nur daran, dass Weißwürste vor 12 Uhr gegessen werden müssen. Alles andere würde fatale Folgen haben ;)
Schöne Bilderchen im übrigen.
Das wird sich schon durch die Anstoßzeit um 13 Uhr nicht verhindern lassen, wir müssen noch 130 Kilometer fahren bis zur Arroganzarena.
LöschenSchöne Foddos und wie immer ein leidenschaftlich schöner Bericht.
AntwortenLöschenDanke :)
LöschenDie erste Halbzeit war grausam, ich hab die Glotze ausgemacht. War dumm, ich weiß..
AntwortenLöschenFür Skykonsumenten und Gelegenheitsfans ist das halt nix. Alles völlig verweichlichte Championsleaguegucker.:p
LöschenEs gab Stress im Gästeblock, weil 2 Zaunfahnen der "Hamburger Dynamofans" von Hamburger Ordnern ohne Vorwarnung abgerissen wurden. Beide konnten später durch Dresdner Ordner wieder in den Block gegeben werden, allerdings mit erheblichen Schäden durch das Abreißen.
AntwortenLöschenBtw: schöner Text+Bilder!
Danke :)
LöschenVon der Geschichte hab ich inzwischen auch gehört, ich hab dann mal auf den Fotos versucht zu eruieren worum es eigentlich ging, aber die Hamburg/Dresden Fahne erschien mir auch sehr unverdächtig. Würde mich schon interessieren wer da warum mal wieder überreagiert hat.