Heute vor zwei Jahren ist Neil Landon gestorben, weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit, was mich doch ziemlich betroffen gemacht hat, aber vielleicht lese ich auch zu wenig Hamburger Zeitungen und habe das verpasst. Immerhin gibt es online noch einen Einzeilernachruf vom Oxmox, einem dieser Stadtmagazine, die man sich in den Siebzigern kaufen musste um nicht aus Versehen ein Konzert zu verpassen.
Denn damals gingen wir in Hamburg, mit Ausnahme vielleicht von Grünspan und Madhouse, nicht in Diskotheken, wenn es irgendwo Livemusik gab - und es gab eigentlich immer Livemusik. In der Fabrik, im Logo, Dannys Pan, Mikis, Onkel Pö, irgendwo hat immer jemand gespielt und sehr oft war es Neil.
Von Neil haben wir glaube ich keins verpasst in diesen Jahren, von den Anfängen als Straßenmusikerduo mit einem rothaarigen Zottel namens Hoddel, den niemand unter seinem Namen Horst Höhns kannte, bis zu den legendären Jamsessions in der Fabrik, mit einer ganzen Batterie Musikern aus der sogenannten Hamburger Szene, inklusive Emsländer Umkreis.
Da standen zu Hochzeiten schon mal drei bis vier Elektrogitarristen auf der Bühne, was besonders dann anstrengend werden konnte, wenn Lakes Alex Conti mal wieder zu einem seiner gefürchteten "ich-zeig-euch-jetzt-allen-mal-wie-das-geht" Soli ansetzte, aber ansonsten war's immer ein großer Spaß, denn Neil war ein grandioser Performer, der jeden Laden zum kochen brachte. Also, für damalige Verhältnisse, als es noch kein Stagediving und so etwas gab und im Logo noch Tische standen, die im Weg gewesen wären.
Unsere uneingeschränkte Bewunderung verdiente er schon dem Umstand, dass er kurz zuvor mit Noel Redding in einer Band spielte, also jemanden kannte, der Jimi Hendrix kannte. Quasi so etwas wie ein Qualitätssiegel. Wenn so einer nach Hamburg zieht und hier laufend Konzerte spielt geht man natürlich hin, zumal die Eintrittspreise noch unter den Bierpreisen gelegen haben dürften.
Dafür bekam man regelmäßig mehrere Stunden handgemachte Musik von Leuten, die sehr gut Musik mit der Hand machen konnten, weil sie nichts anderes gelernt haben und deshalb noch in etlichen anderen Bands spielten, wie Frumpy, Lake, Truck Stop, Rudolf Rock & den Schockern und kurioserweise sogar Boney M. oder der Hamburg Blues Band.
Man bekam eine geile Show geboten, die man irgendwann in- und auswendig kannte, freute sich auf das obligatorische Schlagzeugsolo von Curvin Merchant, der damals noch nicht Jamaica Papa war, aber höllisch gut trommeln konnte und grölte leicht angetrunken den wha-wha-wha-wha-wonderbaren Refrain von Del Shannons Runaway bei der vorvorletzten Zugabe mit, wegen der man dann den Nachtbus nehmen musste.
Was man damals noch nicht bekam war Merchandising in irgendeiner Form. Für regelmäßige Konzertgänger ein unhaltbarer Zustand, vor allem für die in der ersten Reihe. Während heute jeder im Internet ein Shirt seiner Lieblingsband bestellen kann, musste man damals noch Plakate abreißen, Schablonen aus dem Schriftzug basteln und Bundeswehrunterhemden mit Textilfarbe bemalen. Das hätten wir nicht mal für Rory Gallagher gemacht, aber der kam ja auch nur einmal im Jahr.
Tschüß Neil. Es war mir eine Ehre.
Fotos dazu: Fabrik Hamburg 1975, Curvin und nicht Uli Salm, Neil & Erich Doll, Hoddel, Bernd Gärtig, Neil Landon
Musik dazu: Neil Landon - Best Of